Wichtiges zur Pflegezeit und Familienpflegezeit
Regelungen zur Pflegezeit und Familienpflegezeit
Immer wieder kommt es vor, dass nahe Angehörige von Beschäftigten kurzfristig pflegebedürftig i.S.d. §§ 14, 15 SGB XI werden. Genauso kurzfristig sind die pflegerische Betreuung der Angehörigen, ein ambulanter Pflegedienst oder sogar ein Platz in einer vollstationären Pflegeeinrichtung zu organisieren.
Nahe Angehörige sind insbesondere Großeltern, Eltern, Schwiegereltern, Ehegatt*innen, Lebenspartner*innen, Partner*innen in eheähnlicher Gemeinschaft, Geschwister, Kinder und Enkelkinder und seit dem 01.01.2015 auch Stiefeltern, lebenspartnerschaftsähnliche Partner*innen und Schwäger*innen.
Für solche akuten Pflegenotfälle regelt das Pflegezeitgesetz, dass man zur Organisation der Pflege der Angehörigen als Beschäftigte gegenüber dem Arbeitgebenden einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeitspflicht im Umfang von bis zu 10 Arbeitstagen hat. Dieser Anspruch gilt für alle Beschäftigten, unabhängig von der Beschäftigtenzahl, die beim Arbeitgebenden tätig sind.
Grundsätzlich sind Arbeitgebende nicht verpflichtet, in dieser Zeit das arbeitsvertraglich vereinbarte Entgelt fortzuzahlen. Sofern auch kein Kranken- oder Verletztengeld für ein Kind bezogen wird, wird dem Arbeitnehmenden in dieser Zeit durch die Pflegeversicherung der zu pflegenden Angehörigen ein Pflegeunterstützungsgeld gezahlt (§ 7 Abs.3 SGB IV und § 44a Abs. 3 SGB XI).
Für die Höhe des Pflegeunterstützungsgeldes gilt § 45 Abs. 2 Sätze 3 - 5 SGB V entsprechend.
Auf Antrag gewähren die Leistungsträger Zuschüsse zur Krankenversicherung. Das Pflegeunterstützungsgeld ist beitragsfrei. Bei Beschäftigten, die Krankengeld nach § 45 Abs. 1 SGB V beziehen, gelten als beitragspflichtige Einnahmen 80 Prozent des während der Freistellung ausgefallenen, laufenden Arbeitsentgelts oder des der Leistung zugrundeliegenden Arbeitseinkommens.
Sofern arbeitsvertraglich nicht ausgeschlossen, kann sich ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung in allen Fällen kurzzeitiger Arbeitsbefreiung aber aus § 616 BGB ergeben. Voraussetzung ist eine Arbeitsverhinderung für eine Anzahl der Tage, an denen der Arbeitgeber Sonderurlaub z. B. auf Grund einer Erkrankung des Kindes oder Pflege naher Angehöriger gewährt. Die Notwendigkeit, nahe Angehörige bei unvorhergesehener Erkrankung häuslich zu pflegen, ist in der Rechtsprechung als persönlicher Grund im o. g. Sinne anerkannt. Damit wird sich die kurzfristige Freistellung nach dem Pflegezeitgesetz und § 616 BGB regelmäßig überschneiden. Ob die Dauer der Arbeitsverhinderung erheblich ist, ist nach dem Verhältnis der Dauer des Arbeitsverhältnisses zur Dauer der Verhinderungszeit zu bestimmen. In der Regel wird sich aber der Vergütungsanspruch auf wenige Tage beschränken. Zu beachten ist, dass der Vergütungsanspruch komplett entfällt, wenn die Arbeitsverhinderung länger dauert; der Beschäftigte wird daher seinen Entgeltfortzahlungsanspruch nur entweder auf § 616 BGB oder auf das Pflegeunterstützungsgeld stützen können.
Lohnzahlungsverpflichtungen des Arbeitgebenden können sich auch ergeben aus gesetzlichen, arbeitsvertraglichen, betrieblichen oder tarifvertraglichen Regelungen. Für den Bereich des öffentlichen Dienstes enthält § 29 Abs. 1 lit. e) aa) bis cc) TVöD/TV-Länder eine abschließende Sonderregelung über einen Freistellungsanspruch mit Lohnfortzahlung. Gegenüber arbeitsvertraglichen Entgeltfortzahlungsansprüchen ist das Pflegeunterstützungsgeld nachrangig (subsidiär).
Eine zweite Möglichkeit besteht in der vollständigen oder teilweisen Freistellung von der Arbeitspflicht für bis zu 6 Monate, um Angehörige selbst zu pflegen. Allerdings besteht dieser Anspruch auf Pflegezeit nach § 3 Abs. 1 Satz 2 PflegeZG nur in Unternehmen mit regelmäßig mehr als 15 Beschäftigten. Rechtlich unklar ist bisher, ob die Zahl nach Köpfen (so im Teilzeit- und Befristungsgesetz) oder nach der Anzahl der Vollzeitarbeitsplätze unter quotaler Berücksichtigung von Teilzeitarbeitsplätzen zu bestimmen ist. Mangels fehlender Klarstellung im Gesetz, ist wohl von einer Berechnung nach Kopfzahl auszugehen. Auch für diese Zeit besteht keine Vergütungspflicht durch den Arbeitgebenden.
Arbeitnehmer*innen, die nahe Angehörige pflegen, die unheilbar krank sind und nur noch eine Lebenserwartung von wenigen Wochen oder Monaten haben, haben drittens die Möglichkeit, sich vom Arbeitgebenden auf Antrag vollständig oder teilweise bis zu drei Monaten unbezahlt freistellen zu lassen.
Das Familienpflegezeitgesetz regelt in § 2 Abs. 1 FPfZG eine vierte Möglichkeit, nämlich eine Teilzeittätigkeit mit einer wöchentlichen Mindestarbeitszeit von 15 Stunden für die Dauer von maximal 24 Monaten zur Pflege von pflegebedürftigen nahen Angehörigen beanspruchen zu können. Bei wöchentlich unterschiedlichen Arbeitszeiten kommt es auf den jährlichen Durchschnitt der wöchentlichen Arbeitszeit an.
Der Rechtsanspruch auf Familienpflegezeit besteht nicht, wenn der Arbeitgebende in der Regel 25 oder weniger Mitarbeiter (ausschließlich der Auszubildenden) beschäftigt.
Arbeitnehmer*innen erhalten während der Teilzeittätigkeit eine entsprechend reduzierte Vergütung, die jedoch vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben in Form eines zinslosen Darlehens aufgestockt wird.
Die Familienpflegezeit ist spätestens 8 Wochen vor dem gewünschten Beginn schriftlich anzukündigen. Gleichzeitig müssen Beschäftigte erklären, für welchen Zeitraum und in welchem Umfang die Freistellung in Anspruch genommen werden soll. Auch die Verteilung der Arbeitszeit ist anzugeben. Wird die Familienpflegezeit im Anschluss an eine Pflegezeit i. S. v. § 3 Abs. 1 oder Abs. 3 PflegeZG genommen, ist die Familienpflegezeit spätestens 3 Monate vor Beginn zu erklären.
Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen haben über die Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit eine schriftliche Vereinbarung zu treffen. Hierbei hat der Arbeitgebende den Wünschen der Beschäftigten zu entsprechen, es sei denn, dass dringende betriebliche Gründe entgegenstehen (in Analogie zum § 15 BEEG).
Wurde die Familienpflegezeit nicht für die kompletten 24 Monate beantragt, kann sie bis zu dieser Gesamtdauer verlängert werden, wenn der Arbeitgebende zustimmt. Der Arbeitgebende muss zustimmen, wenn ein vorgesehener Wechsel in der Person des Pflegenden aus einem wichtigen Grund nicht erfolgen kann.
Arbeitnehmer*innen genießen besonderen Kündigungsschutz ab dem Moment der Ankündigung der Familienpflegezeit, frühestens jedoch ab 12 Wochen vor dem angekündigten Beginn, bis zu deren Beendigung. Eine Kündigung kann durch den Arbeitgebenden nur dann erklärt werden, wenn die für Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde der Kündigung zuvor zugestimmt hat.
Für alle vier Möglichkeiten gilt:
- Alle diese Ansprüche stehen den Beschäftigten ab dem ersten Tag ihres Beschäftigungsverhältnisses zu.
- Die Freistellung bedarf keiner vorherigen Zustimmung des Arbeitgebenden. Beschäftigte sind nur verpflichtet, den Arbeitgebenden die Verhinderung an der Arbeitsleistung und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich ("ohne schuldhaftes Zögern") mitzuteilen. Die Information hat zu erfolgen, sobald die Beschäftigten in der Lage sind, die Pflegesituation und ihre Dauer im Hinblick auf ihre Einschränkung bei der Erbringung der Arbeitsleistung einzuschätzen.
- Arbeitgeber*innen können nicht einwenden, betriebliche Belange oder sonstige unternehmerische Interessen stünden dem Freistellungsanspruch entgegen.
- Arbeitgeber*innen können eine ärztliche Bescheinigung über die Pflegebedürftigkeit der Angehörigen und die Erforderlichkeit der Freistellung verlangen.
- Eine Rückkehr an den Arbeitsplatz bei vorzeitiger Beendigung der Pflegezeit ist nur mit Zustimmung des Arbeitgebenden möglich. Eine Ausnahme gilt für den Fall, dass der/die Angehörige nicht mehr pflegebedürftig ist oder die häusliche Pflege dem/der Beschäftigten unmöglich (z.B. bei Tod der/des Pflegebedürftigen) oder unzumutbar (z.B. bei jetzt stationärer Pflege) geworden ist. Dann endet die Pflegezeit kraft Gesetzes vorzeitig.
- Für jeden vollen Monat der Pflegezeit kann gem. § 4 Abs. 4 PflegeZG der Jahresurlaub um ein Zwölftel gekürzt werden.
- Es besteht gem. § 5 (1) PflegeZG ein besonderer Kündigungsschutz ab dem Zeitpunkt der Ankündigung der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung nach § 2 PflegeZG oder der Inanspruchnahme der Pflegezeit nach § 3 PflegeZG (höchstens jedoch 12 Wochen vor dem angekündigten Beginn) bis zur Beendigung der Freistellungszeiträume. Ausnahmen können nach § 5 (2) PflegeZG von der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde ausnahmsweise für zulässig erklärt werden (z.B. bei betriebsbedingten Kündigungen). Es handelt sich um ein sog. "absolutes" Kündigungsverbot, d. h. es besteht unabhängig von der sechsmonatigen Wartezeit für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes und im Fall der kurzzeitigen Arbeitsfreistellung auch unabhängig von der Unternehmensgröße. Gleiches gilt gemäß Familienpflegezeitgesetz.
- Pflegezeit und Familienpflegezeit können nacheinander genommen werden, sofern sie unmittelbar aneinander anknüpfen. Insgesamt darf jedoch die Gesamtdauer von 24 Monaten je pflegebedürftiger naher angehöriger Person nicht überschritten werden. Die Beschäftigten haben sich entsprechend gegenüber dem Arbeitgebendem zu erklären, im Zweifel und vorrangig gilt ein Antrag als Freistellung für eine Pflegezeit nach dem Pflegezeitgesetz.
- Soll die Familienpflegezeit nach der Pflegezeit genommen werden, muss die Ankündigung möglichst frühzeitig, spätestens 3 Monate vor Beginn der Familienpflegezeit schriftlich erfolgen. Dabei haben die Beschäftigten zu erklären, für welchen Zeitraum, in welchem Umfang und mit welcher Verteilung der Arbeitszeit die Freistellung von der Arbeitsleistung in Anspruch genommen werden soll.
- Wird Pflegezeit nach einer Familienpflegezeit in Anspruch genommen, ist die Pflegezeit dem Arbeitgebenden spätestens 8 Wochen vor Beginn der Pflegezeit schriftlich anzukündigen.
- Betriebe mit in der Regel 15 oder weniger Beschäftigten (§ 3 Abs. 1 Satz 2 PflegeZG) bzw. mit in der Regel 25 oder weniger ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten (§ 2 Abs. 1 Satz 4 FamPfZG), sind verpflichtet, Anträge der Beschäftigten auf den Abschluss einer Vereinbarung über eine Freistellung nach dem Pflegezeit- sowie Familienpflegezeitgesetz innerhalb von 4 Wochen nach Zugang des Antrags zu beantworten und im Fall der Ablehnung zu begründen.
- Beschäftigte von Arbeitgebenden mit in der Regel 15 oder weniger Beschäftigten haben gem. § 3 Abs. 1 Satz 2 PflegeZG keinen Rechtsanspruch auf die Inanspruchnahme einer Pflegezeit nach § 3 Abs. 1 Satz 1 PflegeZG oder einer sonstigen Freistellung nach § 3 Abs. 5 Satz 1 oder Abs. 6 Satz 1 PflegeZG.
Im Fall der einvernehmlichen Vereinbarung einer solchen Freistellung kann ihnen jedoch gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 FamPflZG auf Antrag für die Dauer der Freistellung ein zinsloses Darlehen gewährt werden. Mit Satz 1 des § 3 Absatz 6a PflegeZG wird klargestellt, dass auch diese Beschäftigten bei ihrem Arbeitgebenden den Abschluss einer Vereinbarung über eine Pflegezeit oder eine sonstige Freistellung beantragen können. Mit der Neuregelung in Abs. 6a werden Arbeitgebende mit in der Regel 15 bzw. im Falle der Familienpflegezeit 25 oder weniger Beschäftigten dazu verpflichtet, solche Anträge zu beantworten. Die Antwort muss innerhalb von 4 Wochen nach Zugang des Antrags erfolgen. Möchte der Arbeitgebende den Antrag ablehnen, muss er nach Satz 3 der Regelung die Ablehnung begründen. Eine unterbliebene Antwort oder eine nicht sachlich begründete Ablehnung führt jedoch nicht zu einer Fiktion der Zustimmung des Arbeitgebers zur beantragten Freistellung.
- In Kleinunternehmen mit nicht mehr als 15 bzw. 25 Beschäftigten besteht der besondere Kündigungsschutz für Beschäftigte in Pflegezeit erst mit Beginn der Freistellung (und nicht schon mit der Antragstellung).
Zur Sozialversicherung während des Pflegeurlaubs
Während der Pflegezeit gilt:
- Kranken- und Pflegeversicherung: Verheiratete sind beitragsfrei familienversichert. Sind die Voraussetzungen für die Familienversicherung nicht gegeben, kann sich der Pflegende freiwillig weiterversichern. Ansonsten tritt die Versicherungspflicht als "Person ohne anderweitigen Versicherungsschutz" ein. Dabei erhält der/die Pflegende auf Antrag einen Beitragszuschuss von der Pflegekasse der/des Angehörigen, der gepflegt wird. Ist der/die Pflegebedürftige privat pflegeversichert, gelten diese Regelungen entsprechend; auch das private Versicherungsunternehmen zahlt einen Beitragszuschuss.
- Für die Arbeitslosenversicherung werden in der Pflegezeit die Beiträge von der Pflegekasse übernommen. Allerdings müssen Versicherte unmittelbar vor Beginn der Pflegezeit versicherungspflichtig in der Arbeitslosenversicherung gewesen sein.
- Zur Rentenversicherung müssen Pflegende weiterhin Beiträge zahlen, wenn die häusliche Pflege mindestens 14 Stunden wöchentlich beträgt und die Pflegebedürftigen Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten.
- Für die Pflege naher Angehöriger in häuslicher Umgebung besteht ein beitragsfreier gesetzlicher Unfallversicherungsschutz.
Wird die Familienpflegezeit aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung angetreten, bleibt der Versicherungsschutz in der Sozialversicherung erhalten. Die SV-Beiträge werden aus dem fälligen Arbeitsentgelt bemessen.