Die Stoffwechselkrankheit Morbus Gaucher (Gaucher-Krankheit) – Symptome, Diagnostik, Therapie
Was ist Morbus Gaucher?
Morbus Gaucher (häufig auch als M. Gaucher abgekürzt) ist eine erbliche Stoffwechselkrankheit, bei der Vergrößerungen der Milz und/oder der Leber, Veränderungen des Blutbildes sowie Knochenschmerzen auftreten. Die Gaucher Krankheit ist selten und tritt bei ungefähr einem von 40.000 bis 60.000 Menschen auf. Manche Patient*innen zeigen nur einen Teil der Symptome.
Ursache des M Gaucher ist ein Mangel an dem Enzym beta-Glukozerebrosidase. Weil es bei Gaucher Patient*innen nicht in ausreichender Menge vorhanden bzw. nicht ausreichend aktiv ist, sammelt sich ein ungespaltenes Stoffwechselprodukt (Glukozerebrosid) im Körper an und verursacht zunehmend Probleme. Dies geschieht in den Recycling-Zentren der Zellen, den Lysosomen. Deshalb wird Morbus Gaucher zu den sogenannten lysosomalen Speicherkrankheiten gezählt.
Bei Verdacht auf Morbus Gaucher sollten Patient*innen einen/eine Ärzt*in ihres Vertrauens aufsuchen. Es existieren derzeit zwei grundsätzliche Therapieprinzipien, mit denen die Krankheit zwar nicht geheilt, aber ursächlich behandelt werden kann.
Rosenbloom BE, Weinreb NJ. Crit Rev Oncog 2013; 18: 163-175
Linari S et al. Clin Cases Miner Bone Metab 2015; 12: 157-164
Mistry PK et al. Mol Gen Metab 2017; 120: 8-21
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1. Welche Symptome treten bei Morbus Gaucher auf?
1.1 Was sind die häufigsten Symptome bei Morbus Gaucher?
Die Mehrheit der Gaucher Patient*innen erkrankt bereits als Kind oder Jugendlicher/Jugendliche; bei etwa jedem/jeder dritten Betroffenen wird die Erkrankung jedoch erst im Erwachsenenalter festgestellt. Häufig sind die Organe Milz und Leber betroffen, nur selten die Lunge. Daneben treten Veränderungen im Blutbild auf, und auch die Knochen sind häufig betroffen. Die Morbus Gaucher Symptome können bei allen Patient*innen etwas unterschiedlich ausfallen – dementsprechend ist der Verlauf bei dem/der einzelnen Patient*in für die Medizin schwer vorherzusagen.
- Leber und Milz vergrößert: Bei der überwiegenden Mehrheit der Patient*innen tritt eine Milzvergrößerung und bei knapp zwei Dritteln eine Lebervergrößerung auf. Ein Zeichen dafür können ein dicker oder geschwollener Bauch oder ein dicker Oberbauch sein. Die vergrößerte Leber und Milz können zu einem Druckgefühl im Oberbauch führen und auch Ursache für ein Völlegefühl, Appetitverlust oder Übelkeit sein. Manche Patient*innen berichten, dass sie sich kurzatmig fühlen. Ein dicker Bauch bei Kindern bzw. ein aufgeblähter Bauch bei einem Kleinkind ist für Morbus Gaucher typisch.
- Verminderte Blutplättchen und Blutarmut: Bei vielen Patient*innen mit Morbus Gaucher ist die Zahl der Blutplättchen (Thrombozyten) im Blut erniedrigt. Dies kann sich in häufigem Nasenbluten, Zahnfleischbluten, in einer verstärkten Periode und einer Neigung zu blauen Flecken äußern.
Bei etwa jedem/jeder dritten Gaucher Patient*in liegt der Wert des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin (Hämoglobinwert) unterhalb des Normbereiches – Ärzt*innen sprechen von einer Blutarmut (Anämie). Typische Symptome von Blutarmut sind Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, Energiemangel und geringe Ausdauer. Sie kann auch Kurzatmigkeit zur Folge haben. Bei manchen Patient*innen ist zusätzlich die Zahl der weißen Blutkörperchen niedrig, bzw. deren Funktion beeinträchtigt. Weil sie für die Immunabwehr zuständig sind, können dann häufige Infekte/Infektionen auftreten. - Knochenschmerzen: Über Schmerzen der Knochen berichtet etwas weniger als die Hälfte der Patient*innen. Bei wenigen treten sogenannte Knochenkrisen auf – starke, über einige Tage anhaltende Knochenschmerzen. Wenn man Gaucher-Patient*innen mit sogenannten bildgebenden Verfahren, wie zum Beispiel dem Röntgen, untersucht, findet man bei mehr als acht von zehn Patient*innen vielfältige Schädigungen der Knochen. Unter anderem kann auch die Knochendichte verringert sein.
Ein Name – mehrere Krankheitstypen: 94% aller Gaucher Patient*innen sind an Morbus Gaucher Typ 1 erkrankt – deshalb geht es auf dieser Website ausschließlich um diese häufigste Form des M. Gaucher. Bei den Typen 2 und 3 ist zusätzlich zu den beschriebenen Symptomen auch das Nervensystem betroffen. Sie werden auf dieser Website nicht behandelt.
1.2 Frühe Anzeichen im Kinder- und Jugendalter
Wenn bereits ein Kind an Morbus Gaucher erkrankt, ist das häufig auffälligste der Morbus Gaucher Symptome meist der dicke, aufgeblähte Bauch. Ursache ist die stark vergrößerte Milz bei Kindern. Die Lebervergrößerung ist meist weniger ausgeprägt. Im Blut können die Zahl der Blutplättchen und Hämoglobinwert erniedrigt sein. Ein Teil der Kinder klagt über Knochenschmerzen. Die Gaucher-Krankheit kann Wachstumsverzögerungen verursachen, typischerweise setzt die Pubertät verspätet ein.
1.3 Symptome im Erwachsenenalter
Die Morbus Gaucher Symptome im Erwachsenenalter entsprechen weitestgehend denen im Kindesalter: vergrößerte Milz und Leber, niedrige Zahl der Blutplättchen und Hämoglobinwert, Knochenveränderungen. Anders als bei Kindern äußern sich die vergrößerten Organe hier allerdings eher in Beschwerden im Oberbauch und weniger durch einen aufgeblähten Bauch.
Rosenbloom BE, Weinreb NJ. Crit Rev Oncog 2013; 18: 163-175
Linari S et al. Clin Cases Miner Bone Metab 2015; 12: 157-164
Charrow J. et al. Arch Intern Med 2000; 160: 2835-2843
Goker-Alpan O et al. Mol Genet Metab. 2011; 104: 438-447
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2. Was sind die Ursachen von Morbus Gaucher
M. Gaucher gehört zu den erblichen Stoffwechselerkrankungen. Die Ursache ist ein Mangel an dem Enzym beta-Glukozerebrosidase. Die Aufgabe dieses Enzyms ist es, ein Stoffwechselprodukt namens Glukozerebrosid in zwei Komponenten zu spalten, die dann im Körper weiterverwendet werden können. Weil dieser Vorgang bei Gaucher Patient*innen nicht ausreichend funktioniert, sammelt sich Glukozerebrosid an und verursacht zunehmend Probleme. Dies findet in den Recycling-Zentren der Zellen, den Lysosomen, statt. Deshalb wird Morbus Gaucher zu den sogenannten lysosomalen Speicherkrankheiten gezählt.
Die Zellsorte, die hauptsächlich von der Anhäufung des Speichermaterials betroffen ist, sind die Fresszellen (Makrophagen). Durch die übermäßige Speicherung schwellen sie zu sogenannten „Gaucher-Zellen“ an und reichern sich vor allem in Milz, Leber und Knochenmark an, wo sie zu den Symptomen der Gaucher-Erkrankung führen.
2.1 Vererbung bei Morbus Gaucher
Morbus Gaucher ist erblich, d.h. dass die Erkrankung von den Eltern auf ihre Nachkommen (Töchter und Söhne) weitergegeben wird. Das funktioniert so: Jeder Mensch erbt von jedem Gen zwei Kopien von seinen Eltern – eine von der Mutter und eine vom Vater. Das gilt auch für das Gen, das den Bauplan für das Enzym beta-Glukozerebrosidase enthält, also das Enzym, das bei Morbus Gaucher nicht ausreichend funktioniert.
- Sind beide Gene, die ein Mensch vererbt bekommen hat, fehlerfrei, dann produziert sein Körper aktives, voll funktionsfähiges Enzym – der Mensch ist gesund.
- Ist eines der beiden Gene fehlerhaft (enthält einen Gendefekt), erkrankt der betreffende Mensch selbst nicht, weil er noch das andere fehlerfreie Gen besitzt. Er kann das fehlerhafte Gen aber an seine Nachkommen weitergeben, wenn er selbst Kinder bekommt. Er ist daher Träger der Erkrankung.
- Wenn beide Gene fehlerhaft sind, kann nicht ausreichend aktives Enzym hergestellt werden und die Gaucher Erkrankung bricht aus.
Wie hoch das Erkrankungsrisiko für Morbus Gaucher eines geplanten Kindes ist, hängt also davon ab, welche Gene die Eltern tragen. Das Geschlecht spielt dabei keine Rolle, weder das der Eltern noch das des Kindes. Einen Überblick über die Genetik gibt die folgende Tabelle:
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind an Morbus Gaucher erkrankt?
Eltern | Kind |
Wahrschein- lichkeit | Genkopien des Kindes |
---|---|---|---|
beide Elternteile sind an Morbus Gaucher erkrankt (beide Elternteile tragen 2 fehlerhafte Gene) | erkrankt | 100% | 2 fehlerhafte Gene |
ein Elternteil ist erkrankt (2 fehlerhafte Gene), ein Elternteil ist Träger (1 fehlerfreies und ein fehlerhaftes Gen) |
erkrankt --------------- gesund |
50% -------------- 50% |
2 fehlerhafte Gene --------------- 1 fehlerfreies und 1 fehlerhaftes Gen (Kind ist Träger) |
ein Elternteil ist erkrankt (2 fehlerhafte Gene), ein Elternteil ist gesund (2 fehlerfreie Gene) | gesund | 100% |
1 fehlerfreies und 1 fehlerhaftes Gen (Kind ist Träger) |
beide Elternteile sind Träger (beide tragen je 1 fehlerfreies und 1 fehlerhaftes Gen) |
erkrankt --------------- gesund |
25% --------------- 75% |
2 fehlerhafte Gene --------------- 1 fehlerfreies und 1 fehlerhaftes Gen (Kind ist Träger) (50%) --------------- 2 fehlerfreie Gene (25%) |
ein Elternteil ist Träger (1 fehlerfreies und 1 fehlerhaftes Gen), ein ist Elternteil gesund (2 fehlerfreie Gene) | gesund | 100% |
1 fehlerfreies und 1 fehlerhaftes Gen (Kind ist Träger) (50%) --------------- 2 fehlerfreie Gene (50%) |
beide Elternteile sind gesund (beide Elternteile tragen 2 fehlerfreie Gene) | gesund | 100% | 2 fehlerfreie Gene |
Generell sollte bei allen genetischen Erkrankungen zusammen mit dem/der Ärzt*in ein Stammbaum der Familie erstellt werden. Dadurch besteht die Chance, weitere möglicherweise Betroffene zu erkennen. Die Ergebnisse können zudem wichtig für die Familienplanung weiterer Familienmitglieder sein.
Rosenbloom BE, Weinreb NJ. Crit Rev Oncog 2013; 18: 163-175
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3. Morbus Gaucher Verdachtsfall
Wenn aufgrund der Symptome der Verdacht besteht, dass es sich um Morbus Gaucher handeln könnte, sollten Betroffene einen/eine Ärzt*in ihres Vertrauens aufsuchen und ihn/sie darüber informieren. Er/sie kann die nötigen Schritte für eine Diagnostik einleiten. Typischerweise wird er/sie zunächst die häufigeren Ursachen für die Symptome ausschließen. Spätestens, wenn sich dadurch keine Erklärung für die Beschwerden ergibt, ist es Zeit, auch an Morbus Gaucher zu denken.
Fachärzt*innen, die sich um Patient*innen mit vergrößerten Milzen und Blutbildveränderungen kümmern, sind Hämatolog*innen. Für Beschwerden im Oberbauch sind Gastroenterolog*innen die richtigen Ansprechpartner*innen; bei Kindern der/die Kinderärzt*in. Weil die Erkrankung so selten ist, haben viele Ärzt*innen die Erkrankung in ihrem Praxisalltag nicht immer auf dem Schirm. Deshalb müssen viele Patient*innen mit Morbus Gaucher mehrere Ärzt*innen aufsuchen, bis einer/eine die Symptome richtig deutet und die Diagnose stellt.
Mistry PK et al. Am J Hematol 2007; 82: 697-701
4.Wie wird Morbus Gaucher diagnostiziert?
Typisch für Morbus Gaucher sind Veränderungen im Blut, Organvergrößerungen und Schädigungen der Knochen. Deshalb wird der/die Ärzt*in meist folgende Untersuchungen vornehmen:
- Blutbild: Hiermit lassen sich Veränderungen im Blut sichtbar machen, z.B. eine Erniedrigung der Blutplättchen. Zusätzlich wird der/die Ärzt*in eine Analyse bestimmter Blutwerte im Labor veranlassen.
- Ultraschalluntersuchung: Mittels Ultraschall lassen sich die Vergrößerungen von Milz und/oder Leber messen.
- MRT: Mit der Magnetresonanztomografie können Veränderungen am Knochen sowie mögliche Knochenkomplikationen sichtbar gemacht werden.
- Morbus Gaucher Test: Deuten die Ergebnisse der genannten Untersuchungen auf eine Gaucher-Erkrankung hin, so lässt sich die Diagnose mit einem Bluttest durch den Nachweis einer verminderten Aktivität der beta-Glukozerebrosidase sichern.
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4.1 Morbus Gaucher Test
Mit dem Morbus Gaucher Test wird die Aktivität des Enzyms beta-Glukozerebrosidase im Blut bestimmt. Diese Tests sind heute als Trockenbluttests verfügbar. Dafür wird in der ärztlichen Praxis Blut abgenommen, aber nicht wie sonst üblich in Röhrchen an das Labor geschickt. Stattdessen werden einige Blutstropfen auf eine spezielle Filterkarte getropft und trocknen gelassen. Die Karte kann dann (in einem speziellen Umschlag) mit der Post an das Labor geschickt werden. Der Vorteil für die Praxis und den/die Patient*in: Es muss nicht extra ein zusätzlicher Termin für die Blutentnahme vereinbart werden, der auf die Kurierfahrten zum Labor abgestimmt ist.
Im Labor wird das Blut wieder aus der Karte herausgelöst, um mit modernen Verfahren zwei oder drei Tests durchzuführen:
- Enzymtest: Damit wird die Aktivität des der beta-Glukozerebrosidase bestimmt. Liegt sie unter dem Normwert, steht die Diagnose Morbus Gaucher zweifelsfrei fest.
- Lyso-GL1: Dieses Stoffwechselprodukt fällt bei M. Gaucher vermehrt an und erlaubt in der Regel eine gute Unterscheidung zwischen Anlageträger*innen und Betroffenen. Zudem kann er für die Verlaufskontrollen genutzzt werden.
- Gentest: Zusätzlich ist es möglich, auch das Gen für die beta-Glukozerebrosidase zu analysieren, um zu untersuchen, ob ein Gendefekt vorliegt. Bei Patient*innen, deren Enzymaktivität im Grenzbereich zwischen normal und erniedrigt liegt, kann er Klarheit schaffen: Lässt sich ein Gendefekt nachweisen, steht die Diagnose Morbus Gaucher fest. Lässt sich keiner nachweisen, ist ein Gaucher ausgeschlossen. Aus wissenschaftlichem Interesse sowie für eine genetische Beratung wird der Gentest bei fast allen Patient*innen durchgeführt.
- Meist liegen die Testergebnisse innerhalb von ein bis zwei Wochen vor.
4.2 Häufige Fehldiagnosen
Das Leitsymptom des M. Gaucher – die vergrößerte Milz – kann viele verschiedene Ursachen haben. Diese werden auch als Differenzialdiagnosen bezeichnet. Weil die meisten infrage kommenden Erkrankungen häufiger sind als Morbus Gaucher, werden Ärzt*innen zunächst an diese wahrscheinlicheren Gründe für die Beschwerden – Lebererkrankungen, Leukämien, Infektionen und Autoimmunerkrankungen – denken. Eben weil sie ähnliche Symptome verursachen, sind diese Erkrankungen auch häufige Fehldiagnosen.
5. Therapie & Behandlung bei Morbus Gaucher
Die Erkrankung Morbus Gaucher kann behandelt werden. Für weitere Informationen wenden Sie sich gerne an Ihren/Ihre behandelnden/behandelnde Ärzt*in oder an ein Morbus Gaucher Kompetenzzentrum in Ihrer Nähe.
6. Besonderheiten im Alltag eines/einer Morbus Gaucher Patient*in
Dank der Therapie kommt die Mehrheit der Gaucher Patient*innen im Alltag und im Leben gut zurecht und sind durch die Krankheit wenig eingeschränkt, vor allem wenn die Erkrankung nicht früh erkannt wird. Das Symptome, das die meisten Probleme bereiten kann, sind die Knochenschädigungen, weil sie Schmerzen verursachen können. In einzelnen Fällen können hier orthopädische Operationen notwendig werden, wie beispielsweise der Einsatz einer künstlichen Hüfte. In diesem Zusammenhang kann das Thema Schwerbehinderung für Betroffene von Bedeutung sein. Mehr dazu können Sie hier im Bereich „Gesundheitspolitik“ nachlesen.
Noch mehr als gesunde Menschen sollten Betroffene daher gut auf sich Acht geben und auf ihren Körper hören. Das bedeutet: gesunde Ernährung, Erholungspausen einplanen bzw. bei Bedarf auch spontan einschieben und ausreichend Bewegung. Wichtig ist, die Therapie regelmäßig anzuwenden und die Kontrolluntersuchungen im Gaucher-Zentrum wahrzunehmen. Eine Schwangerschaft ist trotz Morbus Gaucher gut möglich, wie die Auswertung zahlreicher Erfahrungsberichte zeigt; sowohl die Schwangerschaft als auch die Therapie der Gaucher-Krankheit in dieser Zeit sollten von einem/einer Ärzt*in eng überwacht werden, der/die darin erfahren ist.
Wichtig zu wissen: Gaucher Patient*innen haben ein erhöhtes Risiko für bestimmte Tumorarten und für Morbus Parkinson. Sie sollten daher alle routinemäßigen Krebsvorsorgemaßnahmen in Anspruch nehmen.
7. Wie können sich Angehörige und Freund*innen von Morbus Gaucher Patient*innen informieren?
Die Mehrheit der Gaucher-Patient*innen kommt im Alltag gut klar, doch sind Belastbarkeit und Ausdauer möglicherweise nicht so hoch wie bei gesunden Menschen, und einem Teil der Patient*innen machen Knochenschäden zu schaffen. Dies sollten Angehörige und Freund*innen immer im Hinterkopf behalten und darauf Rücksicht nehmen, denn alle Menschen sind dankbar, wenn sie Unterstützung erfahren. Aber die wenigsten Patient*innen mit chronischen Erkrankungen wollen auf ihre Krankheit reduziert werden, sondern sie bleiben weiterhin die Menschen, die sie vor der Diagnose waren.
Generell gilt nicht nur für Patient*innen, sondern auch für Freund*innen und Angehörige: Wer Wissen über die Erkrankung hat, kann besser mit ihr und ihren Folgen umgehen. Sich zu informieren und offen miteinander umzugehen, ist deshalb von hohem Nutzen und kann möglichen Missverständnissen und unbegründeten Sorgen vorbeugen. Weitere Informationen rund um das Thema Patient Empowerment. Hilfreiche Informationen und Unterstützung bietet auch die Morbus Gaucher Selbsthilfegruppe. Auch unter dem Menü-Punkt „Service für Patienten“ finden Patient*innen sowie Freund*innen und Angehörige umfangreiches Material.
8. Gibt es Morbus Gaucher spezialisierte Ärzt*innen?
Weil Morbus Gaucher eine seltene Krankheit ist, kennen sich nur wenige Ärzt*innen wirklich gut mit ihr aus. Solche Spezialist*innen findet man vorwiegend in sogenannten Kompetenzzentren, die sich meistens an Universitätskliniken befinden. Kompetenzzentren für Morbus Gaucher. Die Aufgabe von einem solchen Gaucher Zentrum oder Behandlungszentrum in der Klinik ist es, die Diagnose zu stellen (falls noch nicht geschehen) und gemeinsam mit dem/der Patient*in die für ihn geeignete Therapie auszuwählen. Die Betreuung und die kontinuierliche Behandlung erfolgen in Zusammenarbeit zwischen dem Gaucher-Zentrum und dem/der behandelnden Ärzt*in vor Ort.
Wichtig für Menschen mit M. Gaucher sind regelmäßige Kontrollen im Gaucher Zentrum. Hier werden vor allem das Blutbild, die Größe von Milz und Leber sowie die Knochen untersucht. Auch mit Hilfe von speziellen Biomarkern im Blut kann der/die Ärzt*in messen, wie gut die Therapie anschlägt. Wurde eine Therapie neu begonnen, sollten die Kontrolluntersuchungen im ersten Jahr am besten vierteljährlich und im zweiten Jahr halbjährlich erfolgen. Danach reicht bei stabilem Krankheitsverlauf eine Kontrolle pro Jahr.
Hinweis:
Die auf dieser Website befindliche Liste von spezialisierten Kliniken bzw. Zentren ist nicht abschließend. Bislang nicht aufgeführte Zentren können jederzeit ergänzt werden.
9. Morbus Gaucher Selbsthilfegruppe
Für viele Patient*innen mit Stoffwechselkrankheiten ist der Austausch mit anderen Betroffenen wichtig. Umfangreiche Informationen zur Selbsthilfe bietet die
Gaucher Gesellschaft Deutschland e.V
(Aktualisierung April 2021)
MAT-DE-2102078-1.0-04/2021
Definition Morbus Gaucher
Morbus Gaucher ist eine seltene Stoffwechselkrankheit aus der Gruppe der lysosomalen Speicherkrankheiten, die auf einem genetisch bedingten Mangel eines Enzyms beruht und spezifisch behandelbar ist. M. Gaucher (ICD-10 E75.2) tritt mit einer Prävalenz von 1:40.000 bis 1:100.000 auf. Die Erkrankung wird auch als Gaucher-Syndrom (sprich: Goschee) bezeichnet. Über 90 % aller Patient*innen leiden an der nicht-neuronopathischen Form (Typ 1). Leitsymptom ist die Splenomegalie, häufig in Verbindung mit einer meist nur moderaten Thrombozytopenie. Zudem können die Leber vergrößert und das Hämoglobin erniedrigt sein (Rosenbloom B, Weinreb NJ, 2013; Linari S, Castaman G, 2015). Besonders relevant für die Morbidität des Gaucher sind die Knochenmanifestationen (Infiltration des Knochenmarks mit Gaucher-Zellen, Verringerung der Knochendichte, avaskuläre Nekrosen) (Goker-Alpan O; 2011). Bei den wesentlich selteneren Verlaufsformen Typ 2 und Typ 3 ist zusätzlich das zentrale Nervensystem beteiligt (Rosenbloom B, Weinreb NJ, 2013).
Ursache der Krankheit ist ein Mangel an dem Enzym Glukozerebrosidase. In der Folge reichern sich Glukozerebroside in den Lysosomen von Makrophagen an. Sie schwellen zu sogenannten Gaucher-Zellen an und akkumulieren primär in Milz, Leber und Knochenmark (Rosenbloom B, Weinreb NJ, 2013; Linari S, Castaman G, 2015). Manifestiert sich der Morbus Gaucher im Kindes- bzw. Jugendalter, kommt es häufig zu einer Wachstumsverzögerung und/oder einer Verzögerung der Pubertät (Rosenbloom B, Weinreb NJ, 2013; Linari S, Castaman G, 2015). Bei einem Drittel der Patient*innen wird der Gaucher aber erst im Erwachsenenalter diagnostiziert (Charrow J et al, 2000).
Unbehandelt verläuft die Krankheit chronisch progredient. Im Durchschnitt ist die Lebenserwartung bei Gaucher Typ 1 ohne Behandlung leicht verkürzt (vom Dahl S et al; 2014). Die Prognose hängt maßgeblich vom individuellen Verlauf ab. Dieser kann unterschiedlich schwer ausfallen und es können unterschiedliche Organmanifestationen im Vordergrund stehen. Darüber hinaus spielt die Therapie eine erhebliche Rolle: Beide verfügbaren Therapieansätze, die intravenöse Enzymersatztherapie und die orale Substratreduktionstherapie, können die viszeralen, hämatologischen und ossären Manifestationen positiv beeinflussen – bis hin zur Normalisierung (Pastores GM, 2010; Mistry PK et al, 2017). Um die Entstehung irreversibler Schäden zu vermeiden, kommt der frühen Diagnose und Therapie eine große Bedeutung zu (Mistry PK et al, 2007).
Bei einem Verdacht auf M. Gaucher lässt sich die Enzymaktivität der Glukozerebrosidase sowie des Biomarkers Lyso-GL1 mittels einfacher Trockenbluttests messen und die Diagnose so sichern. Die Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, unterstützt die Diagnostik-Initiative für lysosomale Speicherkrankheiten von ARCHIMED Life Science GmbH. Daher kann ARCHIMEDlife Ärzt*innen die Trockenbluttestung kostenfrei anbieten.
Rosenbloom BE, Weinreb NJ. Crit Rev Oncog 2013; 18: 163-175
Linari S et al. Clin Cases Miner Bone Metab 2015; 12: 157-164
Goker-Alpan O. Mol Genet Metab 2011; 104:438-447
Charrow J. et al. Arch Intern Med 2000; 160: 2835-2843
Vom Dahl S et al. Gaucher-Krankheit, in Angeborene Stoffwechselkrankheiten bei Erwachsenen, Hrsg. vom Dahl S, Lammert F, Ullrich K, Wendel U; S. 415; Springer Verlag 2014
Pastores GM. Biodrugs 2010; 24: 41-47
Mistry PK et al. Mol Genet Metab 2017; 120: 8:21
Mistry PK et al. A J Hematol 2007; 82: 697-701
1. Klinisches Bild & Symptomatik von Morbus Gaucher
1.1 Welche Hauptsymptome/typischen Symptome treten bei Morbus Gaucher auf?
Morbus Gaucher ist eine multisystemische Krankheit, bei der die Symptome verschiedene Organsysteme betreffen können.
- Splenomegalie: Leitsymptom des M. Gaucher Typ 1 ist eine Milzvergrößerung. Sie tritt bei fast allen Patient*innen auf – oft beträgt das Volumen der Milz bei Diagnose das 5 bis 15-fache des Normalen (s. Tabelle).
- Thrombozytopenie: Ein ebenfalls sehr häufiges Symptom ist eine meist moderate verminderte Anzahl der Blutplättchen, die sich in einer erhöhten Blutungsneigung äußern kann.
- Weitere mögliche Symptome:
- Eine Hepatomegalie ist bei weitem nicht so stark ausgeprägt wie die Splenomegalie und tritt bei vielen, aber nicht bei allen Patient*innen auf. Die Vergrößerung der betroffenen Organe kann zu Beschwerden im Oberbauch führen, sichtbares Anzeichen für die Organomegalien kann ein aufgeblähter Bauch sein.
- Zudem kann die Symptomatik des M. Gaucher eine Abgeschlagenheit aufgrund einer Anämie sowie der durch die Aktivität der Gaucherzellen bestehenden chronischen Enzündungsreaktion umfassen.
- Die meisten Probleme bereiten den Patient*innen in der Regel die Knochenmanifestationen. Sie sind mit Schmerzen verbunden, können zur Behinderung führen und orthopädische Interventionen erforderlich machen. Etwa jeder/jede dritte Patient*in mit Gaucher Krankheit klagt zum Zeitpunkt der Diagnose über Knochenschmerzen; radiologisch nachweisbar sind ossäre Veränderungen bei vier von fünf Patient*innen. Als Knochenkrisen werden extreme Schmerzen bezeichnet, die über mehrere Tage andauern können und Narkotika für die Schmerzlinderung erforderlich machen (Niederau C et al, 2001; Goker-Alpan O, 2010; Goker-Alpan O, 2011; Rosenbloom B, Weinreb NJ, 2013; Linari S, Castaman G, 2015).
- Bei einem kleinen Teil der Patient*innen kann es darüberhinaus zu einer Lungenbeteiligung und weiterer Organe kommen (Rosenbloom B, Weinreb NJ, 2013; Linari S, Castaman G, 2015).
- Gaucher Patient*innen haben gegenüber der Allgemeinbevölkerung ein erhöhtes Risiko für bestimmte Tumorarten (insbesondere Multiples Myelom, Lymphome, Leberzellkarzinom) sowie für Morbus Parkinson (Rosenbloom B, Weinreb NJ, 2013; Linari S, Castaman G, 2015).
Test: Für die Diagnostik existiert ein Trockenbluttest, mit dem ein M. Gaucher bei klinischem Verdacht im Zweifelsfall sicher diagnostiziert oder ausgeschlossen werden kann.
Nicht-neuronopathische Manifestationen von Morbus Gaucher zum Zeitpunkt der Diagnose* | |
---|---|
Splenomegalie | 15 %: ≤ 5-fach 46 %: > 5-fach bis ≤ 15-fach 38 %: > 15-fach |
Hepatomegalie | 37 %: ≤ 1,25-fach 51 %: > 1,25-fach bis ≤ 2,5-fach 12 %: > 2,5-fach |
Radiologisch festgestellte Knochenbeteiligung | 82 % |
Thrombozytopenie** | 42 %: > 120 x103/mm3 44 %: 60 bis 120 x103/mm3 14 %: < 60 x103/mm3 |
Anämie*** | 34 % |
* Zeitpunkt der Diagnose definiert als Datenpunkt möglichst Nah zum Diagnosedatum aber nicht +/- 2 Jahre von der Diagnose und vor Intiiierung der Imiglucerase-Therapie. Patient*innen ohne Diagnosedatum oder Diganosedatum mit mehr als 1 Jahr von deren Geburt, behandelte Patient*innen ohne infusionsdatum wurden aus der Analyse der hämatiologischen und viszeralen Manifestationen ausgeschlossen. ** ohne Splenektomie ***<12 g/dL für männliche Personen älter als 12 Jahren, <11g/dl für für weibliche Personen älter als 12 Jahren, <10,5 g/dL für Kinder >2 bis 12 Jahren, <9,5 für Kinter 6 Monate bis 2 Jahre, <10,1 g/dL für Kinder jünger als 6 Monate Klinische Daten von unbehandelten Gaucher Patient*innen (ICGG Gaucher-Registry Annual Report 2010) |
1.1.1 Unklare Splenomegalie bzw. Hepatosplenomegalie – vergrößerte Milz und Leber
Die Splenomegalie ist das Leitsymptom des Morbus Gaucher. Ein weiteres Symptom kann eine Hepatomegalie sein (Rosenbloom B, Weinreb NJ, 2013; Linari S, Castaman G, 2015). Aufgrund der Vergrößerung der Milz und Leber stellen sich die Patient*innen nicht selten mit Bauchschmerzen oder Oberbauchbeschwerden wie beispielsweise Völlegefühl bei dem/der Ärzt*in vor, manche Betroffene berichten auch über Appetitlosigkeit.
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1.1.2 Thrombozytopenie
Die Verminderung der Thrombozyten gehört ebenfalls zu den typischen Symptomen des M. Gaucher und ist bei fast allen Gaucher Patient*innen nachweisbar. Sie kann sich durch eine erhöhte Blutungsneigung bemerkbar machen (Rosenbloom B, Weinreb NJ, 2013; Linari S, Castaman G, 2015).
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1.1.3 Nasenbluten, Blutungsneigung, Hämatome
Eine Messung der Blutwerte gibt Aufschluss über die Schwere der Thrombozytopenie. Abhängig davon können Gerinnungsstörungen auftreten. Somit können auch (rezidivierendes) Nasenbluten, Zahnfleischbluten, Blutungsneigung und eine Neigung zu Hämatomen potentielle Symptome für die Krankheit und somit Hinweise im Rahmen der Diagnostik sein (Rosenbloom B, Weinreb NJ, 2013; Linari S, Castaman G, 2015).
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1.1.4 Gelenk- und Knochenschmerzen
Acht von zehn Gaucher Patient*innen weisen zum Zeitpunkt der Diagnose als Symptom eine radiologische Beteiligung der Knochen auf. Gut ein Drittel leidet an Knochenschmerzen, 7 % hatten schon einmal Knochenkrisen. Die vielfältigen Beteiligungen des Skeletts sind häufig die am stärksten behindernden Symptome des Morbus Gaucher und beeinträchtigen die Lebensqualität stark: Sie verursachen Schmerzen, schränken die Bewegung ein, führen zu körperlicher Behinderung und können orthopädische Operationen erforderlich machen (Goker-Alpan, 2011).
Radiologisch nachgewiesene Knochenmanifestationen vor Therapiebeginn bei Gaucher Patient*innen umfassen (Goker-Alpan, 2011):
- Infiltration des Knochenmarks mit Gaucher-Zellen (81 % aller Patient*innen): führt zur Störung der Hämatopoese
- Osteopenie (49 %): kann sich zu Osteoporose weiterentwickeln, erhöht das Risiko für Frakturen
- Erlenmeyerkolben-Deformitäten an den Knien (59 %): Konstriktion der Diaphyse und Verbreiterung der Metaphyse vor allem am distalen Femur und an der proximalen Tibia
- Knochennekrosen (avaskuläre Nekrosen, 16 %): besonders im Hüftkopf (kann bis zur Zerstörung des Gelenks führen), proximalen Humerus und in den Wirbelkörpern; irreversibel, können zu Behinderung und orthopädischen Interventionen führen
- Knocheninfarkte (24 %) und lytische Läsionen (18 %)
- Wachstumsverzögerung bei Kindern und Jugendlichen
Infiltration am Knochenmark mit Gaucher-Zellen am Beispiel des distalen Femurs (MRT)
Goker-Alpan O. Mol Genet Metab 2011; 104: 438-447
1.1.5 Fatigue – Müdigkeit und Erschöpfung
Abgeschlagenheit, Müdigkeit und Erschöpfung sind Symptome, über die viele Gaucher Patient*innen berichten. Sie sind teilweise durch die Anämie/Blutarmut aber auch die chronische Entzündungsreaktion bedingt (Rosenbloom B, Weinreb NJ, 2013) und können sich auch negativ auf die Psyche auswirken.
Rosenbloom BE, Weinreb NJ. Crit Rev Oncog 2013; 18: 163-175
1.1.6 Häufige Infektionen und ein geschwächtes Immunsystem
Aufgrund des verstärkten Abbaus von weißen Blutzellen in der Milz, der Behinderung ihrer Neubildung durch die Infiltration des Knochenmarks kann bei M. Gaucher bisweilen auch eine Leukopenie auftreten. Zudem können die weißen Blutzellen durch ein pathologisches Zytokinmuster eine Funktionsstörung aufweisen können. Diese Effekte können zu einer etwas erhöhten Infektanfälligkeit führen.(Rosenbloom B, Weinreb NJ, 2013).
Rosenbloom BE, Weinreb NJ. Crit Rev Oncog 2013; 18: 163-175
1.2 Krankheitsverlauf von Morbus Gaucher und die verschiedenen Verlaufsformen
Die Häufigkeit des M. Gaucher beträgt 1:40.000 bis 1:100.000, bei Ashkenazi-Jüd*innen etwa 1:1000. Unbehandelt verläuft die Krankheit chronisch progredient. Mit über 90 % erkrankt die ganz überwiegende Mehrheit der Patient*innen am nicht-neuronopathischen Morbus Gaucher Typ 1. Bei den sehr seltenen neuronopathischen Verlaufsformen Typ 2 (akut) und Typ 3 (chronisch) treten zusätzlich zu den viszeralen, hämatologischen und ossären auch neurologische Manifestationen auf (Rosenbloom B, Weinreb NJ, 2013; Linari S, Castaman G, 2015).
Rosenbloom BE, Weinreb NJ. Crit Rev Oncog 2013; 18: 163-175
Linari S et al. Clin Cases Miner Bone Metab 2015; 12: 157-164
1.2.1 Nicht neuronopathische Verlaufsform (Typ 1)
Patient*innen mit Gaucher Typ 1 leiden an viszeralen (Vergrößerung von Milz und Leber), hämatologischen (Thrombozytopenie, Anämie) sowie ossären (Osteopenie, Knochennekrosen, Knocheninfarkte) Symptomen. Diese können sich in Oberbauchbeschwerden, einer Blutungsneigung, sehr häufig in einer Fatigue und bei einem Teil der Patient*innen in zum Teil heftigen Knochenschmerzen äußern, die das Leben der Betroffenen stark beeinflussen. Die Lebensqualität ist meist deutlich eingeschränkt. Der Krankheitsverlauf ist sehr variabel, bei individuellen Patient*innen können die einzelnen Symptome unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Zudem reicht die Schwere der Erkrankung von starken Symptomen bereits in der Kindheit bis zu leichteren Ausprägungen, bei denen die Diagnose zum Teil erst im hohen Alter gestellt wird. Eine klare Korrelation mit den zugrundeliegenden genetischen GBA-Mutationen existiert nicht (Rosenbloom B, Weinreb NJ, 2013; Linari S, Castaman G, 2015)
Bei etwa zwei Dritteln der Patient*innen manifestiert sich die Krankheit in der Kindheit bzw. im Jugendalter (Charrow J et al, 2000). Zu den Folgen können als Symptome auch Wachstumsverzögerungen, Gedeihstörungen und ein verspätetes Einsetzen der Pubertät gehören. Bei einem Drittel wird die Erkrankung erst im Erwachsenenalter diagnostiziert – häufig mit einer Verzögerung von bis zu zehn Jahren und nach einer Odyssee über mehrere Ärzt*innen (Rosenbloom B, Weinreb NJ, 2013; Mistry PK et al, 2007).
Rosenbloom BE, Weinreb NJ. Crit Rev Oncog 2013; 18: 163-175
Linari S et al. Clin Cases Miner Bone Metab 2015; 12: 157-164
Charrow J. et al. Arch Intern Med 160: 2835-2843
Mistry PK et al. A J Hematol 2007; 82: 697-701
1.2.2 Akut verlaufende neuronopathische Verlaufsform (Typ 2)
Die schwerste Form des Gaucher ist der Typ 2 – sie betrifft etwa 1 % der Patient*innen und beginnt bereits im Säuglingsalter. Zusätzlich treten schwere neurologische Manifestationen auf. Die kleinen Patient*innen versterben meist innerhalb der ersten Lebensjahre (Rosenbloom B, Weinreb NJ, 2013; Linari S, Castaman G, 2015). Eine wirksame Therapie ist für diesen - zum Glück sehr seltenen - Typ derzeit nicht verfügbar.
Rosenbloom BE, Weinreb NJ. Crit Rev Oncog 2013; 18: 163-175
Linari S et al. Clin Cases Miner Bone Metab 2015; 12: 157-164
1.2.3 Chronisch-neuronopathische Verlaufsform (Typ 3)
Etwa 5 % der Patient*innen erkranken an einem Morbus Gaucher Typ 3. Auch hier ist das Nervensystem beteiligt, allerdings bricht die Krankheit erst etwas später aus und schreitet nicht so schnell fort wie bei Typ 2. Betroffene können das Erwachsenenalter erreichen (Rosenbloom B, Weinreb NJ, 2013; Linari S, Castaman G, 2015).
Rosenbloom BE, Weinreb NJ. Crit Rev Oncog 2013; 18: 163-175
Linari S et al. Clin Cases Miner Bone Metab 2015; 12: 157-164
1.2.4 Hauptvarianten des Morbus Gaucher: Klinische Einteilung der Verlaufsformen
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1.3 Was ist bei einem Verdacht auf Morbus Gaucher zu tun?
Besteht aufgrund der klinischen Symptome ein Verdacht auf M. Gaucher, sollte im Rahmen der Diagnostik ein Bluttest zur Bestimmung der Enzymaktivität der Glukozerebrosidase sowie möglichst auch des Biomarkers Lyso-GL1 veranlasst werden. Er kann die Diagnose im Verdachtsfall sichern oder ausschließen (Rosenbloom B, Weinreb NJ, 2013; Linari S, Castaman G, 2015) – und damit für Ärzt*in und Patient*in Gewissheit und Klarheit bringen. Dieser Test ist heute als Trockenblut-Test verfügbar und lässt sich unkompliziert in den Praxisablauf integrieren.
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Linari S et al. Clin Cases Miner Bone Metab 2015; 12: 157-164
1.4 Welcher/welche Ärzt*in bzw. med. Kolleg*in ist bei einem Morbus Gaucher Verdachtsfall der/die richtige Ansprechpartner*in?
Im Zweifelsfall ist es sinnvoll, bei einem Verdacht auf M. Gaucher aufgrund von klinischen Symptomen einen Enzym-Test zu veranlassen, um die Diagnose zu sichern. Sodann empfiehlt es sich unbedingt, Kontakt mit einem Gaucher Kompetenzzentrum aufzunehmen. Die Kolleg*innen dort sind aufgrund ihrer Spezialisierung Expert*innen für diese komplexe multisystemische Erkrankung. Wegen der typischen Symptomatik (Vergrößerung der Milz, hämatologische Auffälligkeiten) werden Gaucher Patient*innen häufig auch zu Hämatolog*innen überwiesen.
2. Morbus Gaucher Vererbung
2.1 Ist Morbus Gaucher vererbbar?
Ja, Morbus Gaucher wird von Mutationen im GBA-Gen verursacht, das für die Glukozerebrosidase kodiert, wobei mittlerweile über 300 krankheitsauslösende Mutationen bekannt sind.
Rosenbloom BE, Weinreb NJ. Crit Rev Oncog 2013; 18: 163-175
Linari S et al. Clin Cases Miner Bone Metab 2015; 12: 157-164
2.2 Wie sieht der Erbgang bei Morbus Gaucher aus?
Die Vererbung des Morbus Gaucher erfolgt autosomal rezessiv (Rosenbloom B, Weinreb NJ, 2013; Linari S, Castaman G, 2015).
Wenn beide Eltern Träger eines Gendefektes (und damit Träger der Erkrankung, aber nicht selbst Patient*innen) sind, ergeben sich bei jeder Schwangerschaft die folgenden Wahrscheinlichkeiten für eine Erkrankung des Kindes. Das Geschlecht des Kindes spielt dabei keine Rolle (s. Grafik).
- 25 %: Das Kind ist vollständig gesund und auch nicht Träger der Erkrankung, weil es sowohl von der Mutter als auch vom Vater das jeweils gesunde Gen erbt. Es kann somit problemlos ausreichend Enzym bilden.
- 50 %: Das Kind ist gesund, aber Träger der Erkrankung, weil es von einem Elternteil das fehlerhafte und vom anderen das gesunde Gen erbt. Das Kind ist selbst nicht betroffen, da wegen des einen gesunden Gens ausreichend Enzym gebildet wird.
- 25 %: Das Kind erkrankt, weil es sowohl von der Mutter als auch vom Vater jeweils das Gen mit dem Defekt erbt. Es kann also nicht ausreichend funktionales Enzym bilden.
Rosenbloom BE, Weinreb NJ. Crit Rev Oncog 2013; 18: 163-175
Linari S et al. Clin Cases Miner Bone Metab 2015; 12: 157-164
2.3. Was sollten die Familienangehörigen bzw. Geschwister eines/einer Gaucher Patient*in beachten / wissen?
Wenn ein Mensch an Morbus Gaucher erkrankt und die Krankheit in der Familie vorher nicht bekannt war, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass beide Eltern Anlageträger der Erkrankung sind. Das bedeutet, beide Elternteile tragen je ein verändertes Allel, sind aber selbst gesund. Die Genetik besagt, dass das Risiko, dass auch ein Geschwister des Erkrankten von M. Gaucher betroffen ist, 25 % beträgt. Zudem sind 50 % der Geschwister vermutlich ebenfalls Überträger der Erkrankung.
2.4 Was sollten die Geschwister eines/einer neu diagnostizierten Patient*in tun?
Wird bei einer Person ein Morbus Gaucher diagnostiziert, empfehlen sich eine genetische Beratung sowie die Testung der Geschwister. Sie ermöglichen informierte Entscheidungen hinsichtlich einer potentiell notwendigen Therapie und der weiteren Familienplanung. Es sollte – ausgehend von dem Indexpatienten – auch die Erstellung eines Familienstammbaums angeboten werden.
3. Morbus Gaucher Diagnostik
3.1 Bei welchen Anzeichen sollte auf jeden Fall der Verdacht auf Morbus Gaucher fallen?
Leitsymptom des M. Gaucher ist die Splenomegalie, häufig begleitet von einer Thrombozytopenie. Zusätzliche Symptome können eine Hepatomegalie und seltener eine Anämie sein. Ein Teil der Patient*innen berichtet zudem über Knochenschmerzen, bei vier von fünf Patient*innen sind Knochenmanifestationen zum Diagnosezeitpunkt radiologisch nachweisbar (Rosenbloom B, Weinreb NJ, 2013; Linari S, Castaman G, 2015; Goker-Alpan O, 2010).
3.2 Welche Untersuchungen sind für eine Diagnostik notwendig?
Die Untersuchungen mit Blick auf M. Gaucher sollten umfassen:
- Ultraschalluntersuchung des Bauchraums zum Nachweis der (Hepato)Splenomegalie
- Blutuntersuchung zum Nachweis der Thrombozytopenie und/oder Anämie (weitere hinweisende Parameter im Labor)
- Bildgebung zum Nachweis der Knochenmanifestationen
- MRT (T1-gewichtete Sequenzen): Darstellung des Knochenmarks/ Verdrängung des Fettmarks durch Gaucher Zellen
- Röntgendiagnostik: Nachweis von fortgeschrittenen Veränderungen, z.B. Frakturen oder Erlenmeyerkolben-Deformitäten
- Erfassung der Knochendichte
Bei einem Verdacht auf Morbus Gaucher lässt sich die Diagnose durch die Bestimmung der Enzymaktivität im Blut sichern.
Rosenbloom BE, Weinreb NJ. Crit Rev Oncog 2013; 18: 163-175
Linari S et al. Clin Cases Miner Bone Metab 2015; 12: 157-164
Goker-Alpan O. Mol Genet Metab 2011; 104: 438-447
3.3 Welche Herausforderungen können in der Diagnostik von Morbus Gaucher auftreten?
Gaucher Patient*innen warten bis zu 10 Jahre auf ihre Diagnose
Die größte Herausforderung in der Diagnostik des Morbus Gaucher besteht darin, überhaupt an einen M. Gaucher zu denken. Aufgrund seiner Seltenheit ist er vielen Ärzt*innen in der täglichen Praxis nicht geläufig. In einer Befragung von amerikanischen Hämatolog*innen zog ihn auch bei Vorliegen aller typischen Symptome nur jeder/jede fünfte Ärzt*in in Erwägung (Mistry PK et al, 2007). Erschwerend kann die Heterogenität der Symptome bei individuellen Patient*innen dazukommen. Deshalb erhalten viele Patient*innen ihre Diagnose erst mit Jahren Verzögerung und nach einer wahren Ärzt*innen-Odyssee (Mistry PK et al, 2007). Wenn man jedoch einen Gaucher erst einmal differenzialdiagnostisch in Erwägung gezogen hat, stellt sein Nachweis (oder Ausschluss) in Form eines Trockenbluttests keine Schwierigkeit mehr dar.
Mistry PK et al. Am J Hematol 2007; 82: 697-701
3.4 Welche Rolle spielen Hämatolog*innen in der Diagnostik von Morbus Gaucher?
Aufgrund der typischen Symptomatik (Vergrößerung der Milz in Verbindung mit Thrombozytopenie) werden viele Gaucher Patient*innen zur weiteren Abklärung an Hämatolog*innen überwiesen. Das hat auch eine amerikanische Untersuchung ergeben – so hatten etwa 86 % der Patient*innen auf dem Weg zur Diagnose einen/eine Hämatolog*in gesehen. Die Autor*innen kommen zu dem Schluss, dass deshalb gerade Hämatolog*innen bei der Diagnostik des Morbus Gaucher eine wichtige Rolle zukommt (Mistry PK et al, 2007).
Dabei sollte die Häufigkeit von Morbus Gaucher in dem Patientenklientel von Hämatolog*innen nicht unterschätzt werden: In einer italienischen Studie wurden in hämatologischen Zentren Patient*innen mit vergrößerter Milz und/oder Thrombozytopenie untersucht. Alle wiesen ein weiteres Gaucher-typisches Symptom auf, für das keine andere Ursache (z.B. Leukämie) ersichtlich war. Bei 3,6 % der Patient*innen konnte ein Morbus Gaucher diagnostiziert werden (Motta I et al, 2016). Zu einem ähnlichen Ergebnis kam ein bundesweites Screening-Projekt mit 217 Patient*innen mit idiopathischer Splenomegalie. Das Ergebnis: 5 Neudiagnosen einer Gaucher-Erkrankung, entsprechend einer Prävalenz von 1:43 (vom Dahl S et al, 2015).
Symptome wie eine unklare Splenomegalie oder Thrombozytopenie lassen Hämatolog*innen schnell an hämatologische Tumore, insbesondere Leukämie, chronisch-hämolytische Anämien, Lebererkrankungen oder Infektionen als Verdachtsdiagnosen denken. Wurden diese häufigeren Ursachen ausgeschlossen, sollte auch ein Morbus Gaucher in Erwägung gezogen werden.
Mistry PK et al. Am J Hematol 2007; 82: 697-701
Motta I et al. J Haematol 2016; 96: 352-359
vom Dahl S et al. Der Gastroenterologe 2015; 10: 350, Springer Medizin
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3.5 Welche auffälligen Laborwerte sind bei der Diagnostik von Morbus Gaucher häufig anzutreffen?
Auffällige Laborwerte bei M. Gaucher | |
---|---|
Thrombozytenzahl | bei fast allen Patient*innen meist moderat erniedrigt |
Hämoglobinwert | bei zwei Dritteln der Patient*innen meist moderat erniedrigt |
Radiologisch festgestellte Knochenbeteiligung | kann vorliegen |
Weitere hinweisende Befunde in der Labordiagnostik:
ACE (Angiotensin Converting Enzyme) | häufig erhöht gegenüber Normwert |
---|---|
Ferritin | häufig erhöht |
Saure Phosphatase | häufig erhöht |
CCL-18 | häufig erhöht |
Transaminasen | können leicht erhöht sein |
Chitotriosidase | bei Gaucher stark erhöht. Cave: Bei etwa 5 % der Bevölkerung liegt ein genetisch bedingter Chitotriosidase-Mangel vor |
Lyso-GL1 | häufig deutlich erhöht |
Rosenbloom BE, Weinreb NJ. Crit Rev Oncog 2013; 18: 163-175
Linari S et al. Clin Cases Miner Bone Metab 2015; 12: 157-164
3.6 Warum sollte man vor einer Splenektomie auf Morbus Gaucher testen?
Bevor die erste spezifische Therapie für Morbus Gaucher verfügbar war, mussten bei Gaucher Patient*innen die teilweise extrem stark vergrößerten Milzen oft entfernt werden. Zwar besserten sich dadurch die Symptome des Hypersplenismus, aber die Knochenmanifestationen verschlechterten sich (Rosenbloom B, Weinreb NJ, 2013).
Darüberhinaus sind Splenektomien für Patient*innen auch generell mit negativen Folgen verbunden. Es ist daher vor einem solchen Eingriff grundsätzlich sinnvoll zu testen, ob sich nicht ein unerkannter Morbus Gaucher hinter der unklaren Vergrößerung der Milz verbirgt. Dies lässt sich mittels Trockenbluttests unkompliziert bestätigen oder ausschließen. Morbus Gaucher ist spezifisch behandelbar, wobei sich die Therapie auch positiv auf die Milzgröße auswirkt (Rosenbloom B, Weinreb NJ, 2013, Mistry PK et al, 2017).
Rosenbloom BE, Weinreb NJ. Crit Rev Oncog 2013; 18: 163-175
Mistry PK et al. Mol Genet Metab 2017; 120: 8-21
3.7 Reicht ein Knochenmarksausstrich zur sicheren Diagnose von Morbus Gaucher aus?
Nein. Zwar wird mit Blick auf andere Differenzialdiagnosen der Splenomegalie häufig ein Knochenmarksausstrich veranlasst, aber für die Diagnose des Morbus Gaucher ist er nicht nötig und auch nur begrenzt nutzbar: Einerseits schließt ein fehlender Nachweis von Speicherzellen einen Morbus Gaucher nicht aus, weil diese ungleichmäßig im Knochenmark verteilt sein können (falsch-negativer Befund (Expert*innen berichten von bis zu 30%)). Andererseits kommen auch bei anderen Erkrankungen stark vergrößerte Zellen, sogenannte „Pseudo-Gaucher-Zellen“ vor, die leicht mit Gaucher Zellen verwechselt werden können (falsch-positiver Befund).
Rosenbloom BE, Weinreb NJ. Crit Rev Oncog 2013; 18: 163-175
Linari S et al. Clin Cases Miner Bone Metab 2015; 12: 157-164
3.8 Wie bzw. mit welchem Test kann Morbus Gaucher nachgewiesen werden?
Die Sicherung der Diagnose Morbus Gaucher erfolgt durch die Messung der Aktivität der Glukozerebrosidase im Blut. Dafür stehen heute Trockenbluttests zur Verfügung (Linari S, Castaman G, 2015).
Die Sanofi-Aventis Deutschland GmbH unterstützt die Diagnostik-Initiative für lysosomale Speicherkrankheiten von ARCHIMED Life Science GmbH. Daher kann ARCHIMEDlife Ärzt*innen die Trockenbluttestung kostenfrei anbieten.
Linari S et al. Clin Cases Miner Bone Metab 2015; 12: 157-164
3.9 Wie funktioniert die Bestimmung der Enzymaktivität mittels eines Trockenbluttests bei Morbus Gaucher?
Die Bestimmung der Enzymaktivität ist heute mittels Trockenbluttests möglich. Dafür werden einige Tropfen EDTA-Blut auf eine Trockenblutkarte aufgetropft und an der Luft trocknen gelassen. Die Karte wird zusammen mit dem ausgefüllten Laborbogen per normaler Post an das Labor geschickt. Eine Abstimmung des Termins der Blutentnahme auf Kurierzeiten ist somit nicht notwendig. Im Labor der ARCHIMED Life Science GmbH wird die Enzymaktivität mit großer und reproduzierbarer Genauigkeit bestimmt.
3.10 Kann Morbus Gaucher auch genetisch (mittels eines Gentests) nachgewiesen werden?
In der Regel ist ein Nachweis auch mittels genetischer Analyse möglich. Eine genetische Bestätigung der Diagnose wird empfohlen und ist aus derselben Trockenblutkarte möglich.
3.11 Warum ist die Familienanamnese wichtig und nach welchen Informationen sollte bei der Erstellung eines Familienstammbaums gefragt werden?
Wie bei allen erblichen Krankheiten ist es auch bei Morbus Gaucher essentiell eine Familienanamnese zu erheben, um einen Stammbaum der Familie zu erstellen. Dies geschieht mit dem Ziel, mögliche weitere Patient*innen zu identifizieren und behandeln zu können. Zudem ist die genetische Beratung wichtig für Eltern von betroffenen Kindern hinsichtlich weiterer Familienplanung.
Gefragt werden sollte nach allen möglichen Gaucher-Manifestationen und Symptomen. Dabei ist es sinnvoll, möglichst keine Fachbegriffe zu verwenden, sondern die Patientenwahrnehmungen abzufragen:
- Vergrößerung von Milz und Leber -> Beschwerden im Oberbrauch
- Thrombozytopenie -> Blutungsneigung, beispielsweise Nasenbluten, Zahnfleischbluten, Hämatome, verstärkte Menstruation, verstärkte operative Blutungen
- Anämie -> Müdigkeit und Leistungsminderung
- Leukopenie -> erhöhte Infektanfälligkeit
- Knochenmanifestationen -> Knochenschmerzen, Knochenkrisen, Spontanbrüche, bei Kindern auch Wachstumsverzögerungen
4. Mögliche Differenzialdiagnosen von Morbus Gaucher
Leitsymptom des Morbus Gaucher ist die Splenomegalie, die wiederum einen Befund mit breiter Differenzialdiagnose darstellt, der in verschiedene Fachgebiete führen kann. Immer wieder kommt es bei Patient*innen mit Morbus Gaucher zunächst zu Verwechslungen mit Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen und somit zu Fehldiagnosen.
Differenzialdiagnosen der Splenomegalie | |
---|---|
Fachgebiet | Erkrankungen mit Splenomegalie |
Hämatologie/Onkologie | Lymphome, CLL, myeloproliferative Neoplasien, Leukämien, Hämolyse, Amyloidose, Sarkoidose, Metastasen |
Infektionen | EBV, CMV, HIV, Endokarditis, Tbc, Typhus, Toxoplasmose, Leishmaniose, Brucellose, Malaria |
Kongestiv | portale Hypertension, (Rechts)Herzinsuffizienz |
Autoimmunerkrankungen | systemischer Lupus Erythematodes, rheumatoide Arthritis, Immunthrombozytopenie |
Verschiedenes | Speichererkrankungen (u. A. Morbus Gaucher, ASMD (Niemann Pick Typ A, A/B, B), LAL-D)), Zysten |
Differenzialdiagnosen der Splenomegalie (modif. nach Pozo AL et al. Blood Reviews 2009; 23: 105-111)
Pozo AL et al. Blood Rev 2009; 23: 105-11

4.1 Leukämien
Zu den typischen Anzeichen für Leukämien gehören unter anderem Abgeschlagenheit, Blutungsneigung, Appetitlosigkeit und ungewollter Gewichtsverlust, Knochenschmerzen, vergrößerte Lymphknoten und eine Milzvergrößerung sowie eventuell eine vergrößerte Leber. Weil sie den Symptomen eines Morbus Gaucher damit sehr ähnlich sind, lautet der erste Verdacht bei Morbus Gaucher häufig Leukämie. Da die malignen Bluterkrankungen deutlich häufiger vorkommen und ihre Diagnose zudem erhebliche therapeutische Konsequenzen hat, ist es wichtig, die Verdachtsdiagnose der Leukämie zuerst zu verfolgen. Lässt sie sich nicht bestätigen, sollte (neben anderen Differentialdiagnosen der Splenomegalie) auch ein Morbus Gaucher in Erwägung gezogen werden.
4.2 Andere hämatologische Erkrankungen
Neben Leukämien zeigen auch andere hämatologische Erkrankungen wie Lymphome und hämolytische Erkrankungen eine (teilweise) mit Morbus Gaucher überlappende Symptomatik. Auch die Immunthrombozytopenie (idiopathische Thrombozytopenie), eine Autoimmunerkrankung des Kindesalters, ist hier zu nennen. Bestätigt sich ein Verdacht auf diese Erkrankungen nicht, so sollte ein Morbus Gaucher in Erwägung gezogen werden.
4.3 Erkrankungen der Leber
Schließlich können auch Erkrankungen der Leber, wie beispielsweise eine Leberzirrhose oder eine Virushepatitis, die mit einer portalen Hypertension einhergehen, zu Gaucher-ähnlichen Symptomen, vor allem zu einer Splenomegalie und Thrombozytopenie, führen. Auch hier gilt: Erhärtet sich der primäre Verdacht auf eine Lebererkrankung nicht, ist es Zeit, an einen Gaucher zu denken.
5. Morbus Gaucher – Therapie und Behandlung
Die Erkrankung Morbus Gaucher kann therapeutisch (medikamentös und symptomatisch) behandelt werden. Behandlungsziel und Therapie bei Morbus Gaucher sind individuell festzulegen. Bitte wenden Sie sich für weitere Informationen an ein in Ihrer Nähe befindliches Morbus Gaucher Expertenzentrum.
6. Morbus Gaucher Zentren
6.1 Gibt es spezielle (Behandlungs-) Zentren / Kliniken mit spezialisierten Ärzt*innen für Morbus Gaucher?
Deutschlandweit gibt es derzeit acht Zentren mit spezialisierten Kolleg*innen, die Expert*innen auf dem Gebiet Morbus Gaucher sind. Die Kompetenzzentren verfügen über umfangreiches Fachwissen und sind untereinander und international gut vernetzt (z.B. in der European Working Group on Gaucher Disease EWGGD und/oder in der Arbeitsgemeinschaft für angeborene Stoffwechselstörungen in der inneren Medizin ASIM). Sie unterstützen bei Bedarf auch den fachlichen Kompetenzaufbau von Ärzt*innen, die einen/eine Gaucher Patient*in neu diagnostiziert und noch keine eigene Erfahrung mit der Krankheit haben.
6.2 Welche Aufgabe und Vorteile haben die Morbus Gaucher Zentren?
Optimalerweise erfolgt die Versorgung von Gaucher Patient*innen in Zusammenarbeit zwischen behandelndem /behandelnder Ärzt*in vor Ort und Gaucher Zentrum.
Initiale Untersuchung im Zentrum und Beginn der Therapie: Nach der Diagnose eines M. Gaucher sollte der/die Patient*in für eine initiale Untersuchung an ein Zentrum überwiesen werden. Dort erfolgt eine umfassende Untersuchung hinsichtlich aller Gaucher-Manifestationen und Symptome und darauf basierend eine Beurteilung ihres jeweiligen Schweregrades sowie der Erkrankung insgesamt. Dies ist wichtig, um den Krankheitsverlauf unter Therapie verfolgen zu können. Ärzt*in und Patient*in wählen außerdem die für den/die individuellen/individuelle Patient*in am besten geeignete Therapie aus.
Regelmäßige Kontrollen im Zentrum: Zu Beginn der Therapie finden die Kontrollen viertel- bzw. halbjährlich statt. Später, bei stabilem Krankheitsverlauf stellt sich der/die Patient*in jährlich zu Kontrollen im Zentrum vor. Dort wird er/sie wiederum hinsichtlich aller Gaucher-Manifestationen eingehend untersucht und der Therapieverlauf überprüft. Bei Bedarf kann die Therapie angepasst werden.
Derweil bleibt der/die behandelnde Ärzt*in Ansprechpartner*in vor Ort. Falls der/die Patient*in eine Enzymersatztherapie erhält, erfolgen die regelmäßigen Infusionen ebenfalls vor Ort. Wichtig ist ein guter Kontakt zwischen behandelndem/behandelnder Ärzt*in und Zentrum. Manchmal sind auch Ärzt*innen mit dem Fachgebiet Hämatologie in die Versorgung vor Ort eingebunden.
6.3 Welche Untersuchungen werden in den Morbus Gaucher Zentren durchgeführt?
Umfassende körperliche Untersuchung:
- Blutbild: Hier werden hinsichtlich der hämatologischen Manifestationen des Gaucher primär die Anzahl der Thrombozyten sowie der Hämoglobinwert gemessen. Außerdem erfolgt die Bestimmung der Chitotriosidase oder moderner Lyso-GL1 (auf IVD-Qualität des Tests ist zu achten) als Marker für den Therapieverlauf. Zusätzlich wird auf Hinweise für mögliche maligne Veränderungen geachtet, um diese möglichst frühzeitig zu erkennen (Quantifizierung der Immunglobuline, Serumelektrophorese, Immunfixation).
- Ultraschalluntersuchungen: Die Beurteilung der Splenomegalie und Hepatomegalie als viszerale Manifestationen des M. Gaucher erfolgen meist mittels Sonographie.
- Magnetresonanztomographie: Die MRT erlaubt die Darstellung der Knochenmanifestationen. Dabei eignen sich T1-gewichtete Sequenzen vor allem, um die Knochenmarkinfiltration mit Gaucher-Zellen darzustellen. Mit speziell für M. Gaucher entwickelten Score-Systemen lässt sich das Ausmaß des Befalls quantifizieren.
- Computertomographie und Röntgen Bilder: Je nach Art der Knochenmanifestationen (z.B. Knochennekrosen, pathologische Frakturen) können bei Bedarf auch weitere bildgebende Verfahren zum Einsatz kommen.
- Beratung und Gespräch: Neben diesen medizinischen Parametern gehen auch Angaben des/der Patient*in beispielsweise hinsichtlich Knochenschmerzen, Fatigue und Lebensqualität in die Beurteilung des Krankheitsverlaufs ein. Hierfür können auch standardisierte Tools wie der SF-36 Fragebogen zur Erfassung der Lebensqualität verwendet werden.
6.4 Wo befinden sich die Morbus Gaucher Zentren?
Spezialisierte Kliniken und Zentren, die sich mit de Erkrankung M. Gaucher beschäftigen, sind hier aufgelistet.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass ein/eine Patient*in – vom ersten Verdacht auf eine lysosomale Speicherkrankheit bis zur Therapie – oft eine Odyssee bei unterschiedlichen Fachärzt*innen durchläuft.
Spezialisierte Kliniken und Zentren verfügen über langjährige Erfahrung in der Betreuung von Patient*innen mit lysosomalen Speicherkrankheiten. Dieses Wissen möchten sie Ärzt*innen und Patient*innen gerne zur Verfügung stellen und haben deswegen ihre Kontaktdaten angegeben.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte direkt an die entsprechenden Kliniken und Zentren.
Hinweis:
Die auf dieser Website befindliche Liste von spezialisierten Kliniken bzw. Zentren ist nicht abschließend. Bislang nicht aufgeführte Zentren können jederzeit ergänzt werden.
Kompetenzzentren Morbus Gaucher
oder
7. Morbus Gaucher Register
Prospektive Patientenregister spielen besonders bei seltenen Erkrankungen wie Morbus Gaucher eine wichtige Rolle, um das Wissen über die Erkrankung und die Therapie zu erweitern. Mit der Einführung der Enzymersatztherapie hat Genzyme 1991 das ICGG (International Collaborative Gaucher Group) Register ins Leben gerufen. Jeder/jede Patient*in mit einer gesicherten Gaucher-Diagnose kann nach schriftlicher Einwilligung unabhängig von der Verlaufsform und der Art der Behandlung – auch ohne Therapie – an dem Register teilnehmen. Die Teilnahme ist freiwillig. Die Anmeldung und fortlaufende Dateneingabe erfolgen durch den/die betreuenden/betreuende Expert*in im Zentrum.
Resultate:
- Heute umfasst das ICGG-Register Daten von mehr als 6.000 Patient*innen aus 62 Ländern (mehr als 54.000 Patientenjahre). (Rosenbloom BE, Weinreb NJ 2013)
- Seit Bestehen sind insgesamt über 30 wissenschaftliche Publikationen basierend auf den Registerdaten erschienen.
- Die Registerdaten werden auch für die Erstellung von Therapieleitlinien genutzt.
Rosenbloom BE, Weinreb NJ. Crit Rev Oncog 2013; 18: 163-175
8. Fortbildung / Studien zu Morbus Gaucher
8.1 Wo kann ich mich zum Thema Morbus Gaucher fortbilden?
Das Engagement von Sanofi endet nicht mit der Entwicklung und dem Vertrieb von Medikamenten. Das Unternehmen führt im Rahmen von Kongressen regelmäßig Symposien und Veranstaltungen zum Thema M. Gaucher durch. Ziel ist es, das Wissen und die Awareness für die Erkrankung zu verbessern.
Mit dem DocCheck-Kanal „GaucherXperte“ bieten wir Ihnen zusätzlich ein umfassendes Informationsangebot zu Morbus Gaucher: Von einfacher Diagnostik über unkomplizierte Testung bis hin zu effektiver Therapie.
8.2 Wo erhalte ich weiteres Informationsmaterial zu Morbus Gaucher?
Darüber hinaus hält Sanofi Informationsmaterialien wie Diagnosekarten, eine Patientenbroschüre oder eine Broschüre zur Ernährung bei Gaucher für Sie bereit. Nach Ihrem DocCheck Login können Sie es hier anfordern.
(Aktualisierung Juni 2022)
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