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Gesundheitspolitik

Was hat sich im Betreuungsrecht geändert und was besagt das Notvertretungsrecht?

veröffentlicht am

Was sind die Neuerungen im Betreuungsrecht und was beinhaltet das Notvertretungsrecht? 

Mit Beginn des Jahres 2023 sind umfassende Änderungen im Betreuungsrecht in Kraft getreten; diese betreffen sowohl die/den Betreuten als auch die/den Betreuenden. Dazu gehören:

Der Vorrang der Unterstützung vor der Anordnung einer Betreuung

Die Geschäftsunfähigkeit eines Betreuten ist keine Voraussetzung für die Bestellung eines Betreuenden! Ausreichend ist, dass die Betroffenen Unterstützung benötigen, um die eigenen Rechte geltend zu machen. Die Unterstützung in notwendiger Form hat Vorrang vor der Anordnung einer Betreuung. Bevor eine gerichtliche Betreuung angeordnet wird, ist zu prüfen, inwieweit trotz des konkreten Krankheitsbildes oder der Behinderung die Fähigkeiten der/des Betroffenen ausreichen, um den Handlungsbedarf abzudecken. Weniger die medizinische Feststellung von Defiziten der betreffenden Person steht im Mittelpunkt der Prüfung, vielmehr wird der konkrete individuelle Unterstützungsbedarf in den Vordergrund gestellt.

Mehr Selbstbestimmung für die Betroffenen

Gegen den freien Willen der Betroffenen dürfen keine Betreuende bestellt werden. Das reformierte Betreuungsrecht gewährleistet dem Betreuten mehr Selbstbestimmung im Vorfeld der Einrichtung einer rechtlichen Betreuung und während der Betreuung. Können Betroffene ihre Angelegenheiten eigenständig besorgen, darf das Gericht selbst dann keinen Betreuenden bestellen, wenn die Betroffenen dies beantragen. Sind die Betroffenen auch ohne die Erkrankung oder Behinderung nicht imstande, bestimmte Angelegenheiten zu regeln, beispielsweise wegen der komplizierten Rechtsmaterie oder wegen einer Sprachbarriere, so sind sie deshalb nicht betreuungsbedürftig.

Orientierung an den Wünschen der Betroffenen

Nach dem bis Ende 2022 geltenden Recht hatten Betreuende die Angelegenheiten der Betreuten so zu besorgen, wie es (von außen betrachtet) deren Wohl entspricht. Nunmehr stehen die Wünsche der Betreuten bzw. deren mutmaßlicher Wille im Vordergrund der Handlungen der Betreuenden. Neben dem Betreuungsbedürfnis muss auch ein Betreuungsbedarf bestehen. Das Betreuungsbedürfnis bezieht sich auf die Unfähigkeit der Betroffenen zur Besorgung der eigenen Angelegenheiten; der Betreuungsbedarf betrifft dagegen den Kreis der konkret zu besorgenden Angelegenheiten. An den Wünschen der Betreuten hat sich auch die Eignung des Betreuenden zur Ausübung der Betreuung und die Wahrnehmung der gerichtlichen Aufsicht, vor allem im Rahmen von Genehmigungsverfahren, zu orientieren.

Bessere Information der Betreuten

Durch die Neuregelungen wird sichergestellt, dass die Betroffenen in sämtlichen Stadien des Betreuungsverfahrens besser informiert und stärker eingebunden werden. Das betrifft u.a. die gerichtliche Entscheidung über das Ob und Wie der Bestellung von Betreuenden, die Auswahl von konkreten Betreuern und deren Kontrolle durch das Betreuungsgericht.

Eignung der Betreuenden

Ehrenamtliche Betreuende, die keine familiäre oder persönliche Bindung zur betreuten Person haben, sollen sich an einen Betreuungsverein anschließen, der sie beraten und fortbilden kann. Berufsbetreuer*innen müssen sich seit 2023 bei einer Betreuungsbehörde registrieren lassen und persönliche und fachliche Mindesteignungsvoraussetzungen nachweisen.

Stärkung der Aufsicht und Kontrolle

Die gerichtliche Aufsicht wird stärker auf die Ermittlung der Wünsche der Betreuten ausgerichtet. Pflichtwidrigkeiten des Betreuenden, insbesondere solche, die die Selbstbestimmung des Betreuten beeinträchtigen, können besser erkannt und sanktioniert werden.

Notversorgungsrecht für Ehegatt*innen bzw. eingetragenen Lebenspartner*innen

Wirklich neu ist das Recht der Ehegatt*innen bzw. eingetragenen Lebenspartner*innen, sich gegenseitig in akuten Angelegenheiten der Gesundheitssorge und zeitlich begrenzt für maximal 6 Monate vertreten zu können, wenn ein/e Ehe-/Lebenspartner*in aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit die eigenen Angelegenheiten der Gesundheitssorge und damit eng zusammenhängende Angelegenheiten vorübergehend rechtlich nicht selbst besorgen kann und der/die behandelnde Arzt/Ärztin genau dies bestätigt (§ 1358 Abs. 1 BGB).

Die Gesetzgebung geht bei dieser Regelung von dem Grundsatz aus, dass Betreuende nur bestellt werden dürfen, wenn dies erforderlich ist. Eine Betreuung ist aber nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten durch Bevollmächtigte gleichermaßen besorgt werden können oder durch andere Hilfen, bei denen keine gesetzlichen Vertrete*innen bestellt werden, erledigt werden können (§ 1814 Abs. 3 BGB).

Die Befugnis umfasst

  • die Entscheidung über Untersuchungen des Gesundheitszustandes der vertretenen Ehe-/Lebenspartner*innen und die sich daraus ergebenden Heilbehandlungen oder ärztlichen Eingriffe, auch derer, die erstmals im Zuge der Behandlung diagnostiziert wurden und aus medizinischer Sicht unaufschiebbar behandelt werden müssen.
  • die Berechtigung, alle im Zusammenhang mit den Untersuchungen, Heilbehandlungen oder Eingriffen notwendigen Aufklärungen entgegenzunehmen.
  • den Abschluss und die Durchsetzung von Behandlungs- und Krankenhausverträgen, die unmittelbar nach Eintritt der Erkrankung bzw. Bewusstlosigkeit anstehen, von Verträgen über eilige Maßnahmen der Rehabilitation und der Pflege.
  • die Zustimmung/Ablehnung zu freiheitsentziehenden Maßnahmen für eine Dauer von maximal sechs Wochen.
  • die Geltendmachung von Ansprüchen (z.B. Versicherungsleistungen, Beihilfeansprüche) zugunsten der Betroffenen.
  • das Einsichtsrecht in die Krankenunterlagen.

Ehe-/Lebenspartner*innen sind aber nicht verpflichtet, das Vertretungsrecht tatsächlich auch wahrzunehmen. Sieht sich ein/e Ehegatt*in nicht (mehr) in der Lage, sich um die Angelegenheiten der Ehe-/Lebenspartnerin oder des Ehe-/Lebenspartners zu kümmern, etwa weil er/sie selbst aufgrund einer Erkrankung oder Behinderung in der eigenen Handlungsfähigkeit beeinträchtigt oder weil er/sie durch die Situation überfordert ist, muss beim zuständigen Betreuungsgericht die Einleitung eines Betreuungsverfahrens angeregt werden. Gleiches gilt, wenn der/die Ehegatt*in tatsächlich an der Ausübung des Vertretungsrechts gehindert ist, weil er/sie sich beispielsweise länger im Ausland aufhält und dort nicht erreichbar ist.

§ 1358 Abs. 3 BGB regelt die Gründe, bei denen der/die Ehe-/Lebenspartner*in nicht vertretungsberechtigt ist. Dazu gehören:

  • Die Ehe-/Lebenspartner*innen leben getrennt, weil man sich trennen will.
  • Der/die vertretene Ehe-/Lebenspartner*in lehnt eine Vertretung ab oder hat eine andere Person per Vorsorge- oder Generalvollmacht bevollmächtigt.
  • Für die/den zu vertretenden Ehe-/Lebenspartner*in ist bereits ein Betreuender mit dem Aufgabenkreis „Gesundheitssorge“ bestellt.

Für die Dauer des Notvertretungsrechts ist die Bestellung von gesetzlichen Betreuenden nicht zulässig; sofern nicht bereits Betreuende bestellt sind.

Wurde in einer wirksamen Vorsorge- oder Generalvollmacht eine andere Person als der/die Ehe-/Lebenspartner*in befugt, hat diese Vorrang (§ 1814 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BGB). Das Notvertretungsrecht für Ehe-/Lebenspartner*innen "überstimmt" diese Vollmacht bzw. Verfügung nicht.

Beachten Sie: Eine Generalvollmacht bezeichnet im Allgemeinen die Angelegenheiten, für die eine Vertretungsbefugnis erteilt werden soll, nicht konkret. Andererseits müssen kraft Gesetzes bestimmte Befugnisse des Bevollmächtigten in einer schriftlichen Vollmacht ausdrücklich bezeichnet werden. In diesen Fällen reicht dann eine Generalvollmacht, die zur Vertretung in allen Angelegenheiten ermächtigt, nicht aus. Sie deckt nicht ab: die Zustimmung zu einer ärztlichen Untersuchung, einer Heilbehandlung oder einem medizinischen Eingriff, wenn hierbei Lebensgefahr besteht oder ein schwerer, länger andauernder Gesundheitsschaden zu erwarten ist; die Einwilligung in eine freiheitsbeschränkende Maßnahme. In diesen Fällen verlangt das Gesetz, dass die schriftliche Vollmacht diese Befugnisse ausdrücklich bezeichnet.

Wer seine rechtliche Handlungsfähigkeit umfassend sicherstellen will, sollte eine Vorsorgevollmacht errichten, die den eigenen persönlichen Bedürfnissen entspricht. Diese sollte – weil der/die Bevollmächtigte für die wirksame Vertretung eine Vollmachtsurkunde vorlegen muss – mindestens schriftlich erteilt werden; für bestimmte, vom Gesetz näher bezeichnete Angelegenheiten ist Schriftform vorgeschrieben. Und bestimmte Angelegenheiten können von Bevollmächtigten nur wahrgenommen werden, wenn die Vollmacht notariell beurkundet oder öffentlich beglaubigt wurde. Außerdem muss sie im Original vorliegen.

Ist die Vertretung nach sechs Monaten weiterhin notwendig, weil der/die Ehe-/Lebenspartner*in noch Betreuung benötigt, muss das Betreuungsgericht eingeschaltet werden. Ein/e Richter*in entscheidet dann, wer in Zukunft die Interessen des zu Betreuenden vertreten wird, und setzt ggfs. gesetzliche Betreuende ein. Das kann jemand aus der Familie oder ein Betreuungsverein oder ein/e Berufsbetreuer/in sein.

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