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Gesundheitspolitik

Aktuelle Infos zum Thema Kündigungsschutz

veröffentlicht am

Krankheitsbedingte Kündigung und betriebliches Eingliederungsmanagement

Wenn Arbeitnehmer*innen für einen längeren Zeitraum (6 Wochen, zusammenhängend oder nicht zusammenhängend) arbeitsunfähig krank sind, müssen Arbeitgeber*innen ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) durchführen. Dadurch soll die Arbeitsunfähigkeit überwunden und der Arbeitsplatz erhalten werden.

Sprechen der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin eine krankheitsbedingte Kündigung aus, ohne vorher ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) durchgeführt zu haben, ist es fast aussichtslos, einen entsprechenden Kündigungsschutzprozess zu gewinnen.

Oft reagieren Arbeitnehmer*innen auf das Angebot eines bEMs nicht oder es führt zu keinem Ergebnis. Es stellt sich dann die Frage, wie lange mit einer krankheitsbedingten Kündigung zugewartet werden kann, bevor ein neues bEM angeboten oder durchgeführt werden muss. Dazu urteilte das Bundesarbeitsgericht (BAG, 18.11.2021, 2 AZR 138/21), dass der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin grundsätzlich ein neuerliches bEM durchzuführen haben, wenn der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin innerhalb eines Jahres nach Abschluss eines bEM erneut länger als 6 Wochen durchgängig oder wiederholt arbeitsunfähig erkrankt war. Die Durchführung des bEM beeinflusst die Darlegungslast.

Fragen und Antworten zum Thema: Kündigung von Menschen mit Schwerbehinderung

Darf Menschen mit einer Schwerbehinderung ohne Zustimmung des Integrationsamtes gekündigt werden?

Das Bundesarbeitsgericht (BAG, 02.06.2022, 8 AZR 191/21) urteilte im Jahre 2022: Sofern der/die Arbeitnehmer*in zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht als schwerbehinderter Mensch anerkannt ist und auch noch keinen entsprechenden Antrag gestellt hat, ist die Zustimmung des Integrationsamtes nur erforderlich, wenn die Schwerbehinderung offenkundig ist.

Der Umstand, dass der/die Arbeitgeber*in mit dem/der Arbeitnehmer*in kein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) versucht hat, begründet nicht die Vermutung einer beabsichtigten Benachteiligung.

Darf Beschäftigten, die wegen ihrer anerkannten Behinderung ihre Tätigkeit nicht mehr ausüben können, in der Probezeit einfach gekündigt werden?

Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 10.02.2022 entschieden: Auch Beschäftigte in der Probezeit werden von der EU-Richtlinie 2000/78 erfasst. Danach ist behinderten Arbeitnehmer*innen zunächst – statt einer Kündigung – ein anderer Arbeitsplatz zuzuweisen, sofern der/die Arbeitgeber*in dadurch nicht unverhältnismäßig belastet wird.

Für die Beurteilung, wann eine solche unverhältnismäßige Belastung vorliege, seien insbesondere der finanzielle Aufwand, die Größe, die finanziellen Ressourcen und der Gesamtumsatz des Unternehmens, öffentliche Mittel oder andere Unterstützungsmöglichkeiten entscheidend. Auch müsse es eine freie, für den/die Arbeitnehmer*in aufgrund ihrer/seiner Kompetenz und ihrer/seiner Fähigkeiten geeignete Stelle geben. Dies sei vorab zu prüfen.

Diese Entscheidung hat auch Auswirkungen für Deutschland. Für in Deutschland beschäftigte schwerbehinderte Arbeitnehmer*innen gilt ein besonderer Kündigungsschutz erst nach sechs Monaten ununterbrochener Betriebszugehörigkeit (§ 173 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX). Mit dieser EuGH-Entscheidung lässt sich diese deutsche Gesetzgebung nicht mehr vereinbaren, sodass § 173 SGB IX absehbar geändert werden dürfte.

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