Zusammenfassung

MPS I ist eine seltene Krankheit und zeigt in ihrem Verlauf meist eine Vielzahl von verschiedenen Symptomen. 

Sie wissen nicht genau was, aber Sie wissen, dass etwas nicht stimmt? Verschiedene unspezifische Symptome können isoliert betrachtet reiner Zufall sein, in der Kombination aber können sie einen Hinweis auf MPS I darstellen. Welche Symptome für diese Erkrankung wegweisend sind, welche Symptome früh und am häufigsten vorkommen und auf was Sie achten müssen, erfahren Sie auf dieser Seite. 

Verwechslungsgefahr! Einfache Kinderkrankheiten oder doch MPS I?

Bei MPS I (Mukopolysaccharidose Typ 1) handelt es sich um eine Multisystem-Erkrankung mit einem großen Spektrum an Symptomen, die je nach Ausprägung zu unterschiedlichen Zeitpunkten auftreten. Häufig manifestiert sich die Erkrankung bereits im Säuglings- oder Kindesalter. Da die Kinder bei Geburt zunächst gesund erscheinen, sich anfangs normal entwickeln und die auftretenden Symptome vielfach unspezifisch sind, lassen sie zuerst an typische Kinderkrankheiten denken (Infografik 1, Abb. 2) (Clarke 2016): 

  • Häufige Atemwegsinfekte 
  • Wiederkehrende Otitiden 
  • Nabel- und/oder Leistenhernien 
  • Chronische Rhinitis 
  • Atemgeräusche wie Schnaufen oder Schnarchen 

Im Verlauf der Erkrankung und je nach Alter und Ausprägung kommen weitere, meist progrediente Symptome hinzu, wie z. B. (Infografik 1, Abb. 2): 

  • Gelenkkontrakturen und Gelenksteifigkeit 
  • Veränderung der Wirbelsäule (Kyphose / Skoliose / Gibbus) 
  • Hornhauttrübung 
  • Verzögerung in der Entwicklung 
  • Klappenvitien 

MPS I ist variabel im Krankheitsbeginn, in der Schwere der Erkrankung und im Verlauf. Da ein typisches Erstsymptom fehlt, ist die Diagnose erschwert. Die Kombination der unspezifischen Symptome kann dennoch zu konkreten Verdachtsmomenten führen (Lampe 2013). 

Je nach Verlaufsform und Alter stehen verschiedene Symptome im Vordergrund (Beck 2011).

  • Kopf

    • Gesichtsdysmorphie
    • Vergrößerter Kopfumfang
    • Makroglossie

    Skelett

    • Dysproportionierter Kleinwuchs
    • Kleine Statur
    • Gelenkkontrakturen / -steifigkeit
    • Dysostosis Multiplex

    Herz

    • Klappenvitien

    Neurologisch

    • Abbau kognitiver Fähigkeiten
    • Karpaltunnelsyndrom

    Augen

    • Hornhauttrübung

    HNO

    • Wiederkehrende Otitiden
    • Häufige Atemwegsinfekte
    • Atemgeräusche / Schnarchen

    Viszeral

    • Hepatosplenomegalie
    • Nabel- / Leistenhernien

    Motorik

    • Verzögerte Entwicklung
    • Eingeschränkte Fein- und Grobmotorik
  • Kopf

    • Gesichtsdysmorphie
    • Vergrößerter Kopfumfang
    • Makroglossie

    Skelett

    • Dysproportionierter Kleinwuchs
    • Kleine Statur
    • Gelenkkontrakturen / -steifigkeit
    • Dysostosis Multiplex

    Herz

    • Klappenvitien

    Neurologisch

    • Abbau kognitiver Fähigkeiten
    • Karpaltunnelsyndrom

    Augen

    • Hornhauttrübung

    HNO

    • Wiederkehrende Otitiden
    • Häufige Atemwegsinfekte
    • Atemgeräusche / Schnarchen

    Viszeral

    • Hepatosplenomegalie
    • Nabel- / Leistenhernien

    Motorik

    • Verzögerte Entwicklung
    • Eingeschränkte Fein- und Grobmotorik

Seltene Symptome | Häufige Sysmptome

Infografik 1: Mögliche Symptome der Mukopolysaccharidose Typ 1 (nach Alter); modifiziert nach Beck 2014. 

Verlaufsformen der MPS I

Bei MPS I unterscheidet man drei phänotypische Verlaufsformen: eine schwere (Morbus Hurler) und zwei attenuierte Verlaufsformen (Morbus Hurler-Scheie und Morbus Scheie). Bei allen Formen liegt der gleiche Enzymdefekt vor, dennoch unterscheiden sich der Schweregrad der Symptome und die Lebenserwartung deutlich. Die Übergänge zwischen den einzelnen Formen sind fließend (Beck 2014, D'Aco 2012, Muenzer 2009). 

Übersicht unspezifische Symptome MPS 1 nach Verlaufsform

Abbildung: Exemplarische Darstellung verschiedener Verlaufsformen von MPS I.  A), B) Patientinnen mit M. Hurler-Scheie; C) Patient mit M. Scheie. (Bildquelle: Genzyme Corporation) 

  M. Hurler M. Hurler-Scheie M. Scheie

Medianes Alter bei Erstmanifestation (Beck 2014)

0,5 Jahre 2,0 Jahre 4,9 Jahre

Progredienz

schnell mittel langsam/td>

Kognitiver Status (Muenzer 2009)

Ausgeprägte Verzögerung der geistigen Entwicklung, Verlust des bereits Erlernten Geistige Retardierung möglich Keine Beeinträchtigung/td>

Lebenserwartung von unbehandelten Patienten (D´Aco 2023)

< 10 Jahre < 30 Jahre Erwachsenenalter

    Kinder mit Morbus Hurler (auch Hurler-Syndrom) erscheinen bei der Geburt normal, sind häufig sogar etwas größer und wachsen in der Regel schnell. Erste Symptome der Erkrankung sind unspezifisch: Nabel- und/oder Leistenbrüche (Hernien), häufige Atemwegsinfektionen, Atem- und Schnarchgeräusche. Im Laufe des ersten Lebensjahres kommt es zu einer zunehmenden Vergröberung der Gesichtszüge und einer Kyphose, die sich meist in Form eines Gibbus zeigt. Typischerweise entwickelt sich in den ersten zwei Lebensjahren eine Hepatosplenomegalie und eine Hornhauttrübung kann hinzukommen. Rezidivierende Otitiden führen zu einem zunehmenden Hörverlust. Im weiteren Verlauf wird eine Entwicklungsverzögerung auffällig und eine zunehmende mentale Retardierung tritt auf, die zu einem Stillstand oder aber zum Verlust des bereits Erlernten führt. Im Alter von etwa drei Jahren nimmt das lineare Größenwachstum ab, betroffene Kinder bleiben auch in der weiteren Entwicklung kleinwüchsig. Wird die Erkrankung nicht behandelt, kann Morbus Hurler innerhalb der ersten zehn Lebensjahre zum Tod durch kardiorespiratorisches Versagen führen (Beck 2014, Clarke 2016, Lampe 2016). 

    Fotos unspezifische Symptome bei MPS 1-Form Morbus Hurler

    Abbildung: MPS I-Morbus Hurler – typische Symptome. A) Vergröberte Gesichtszüge B) Gibbus C) Nabelhernie,. Bildquellen: A) und C) (Kubaski 2020). B) Mit freundlicher Genehmigung von Dr. Norberto Guelbert. 

    Erste Symptome bei Morbus Hurler: (Beck 2014) 

    • Nabel- / Leistenhernien 
    • Gibbus / Kyphose 
    • Atemgeräusche / Schnarchen 
    • Gesichtsdysmorphie 
    • Entwicklungsverzögerung mit mentaler Retardierung

    Die beiden attenuierten Verlaufsformen der MPS I, Morbus Hurler-Scheie und Morbus Scheie, unterscheiden sich untereinander vor allem im Alter bei Symptombeginn und der Erkrankungsprogression. Während beim Morbus Hurler-Scheie die ersten Symptome bereits in einem Alter von zwei bis drei Jahren auffallen und eine mittlere Progression aufweisen, treten die Symptome bei der langsam progredienten Verlaufsform, dem Morbus Scheie (auch Scheie-Syndrom), erst nach dem dritten oder vierten Lebensjahr auf. Im Gegensatz zur schweren Verlaufsform Morbus Hurler weisen die attenuierten Verlaufsformen keine, oder im Falle des Morbus Hurler-Scheie, nur eine sehr geringe mentale Retardierung auf. Die Gesichtsdysmorphie erscheint bei beiden Verlaufsformen milder, beim Morbus Scheie tritt sie erst spät im Krankheitsverlauf in Erscheinung (Beck 2014, D'Aco 2012, Muenzer 2009).

    Erste Symptome bei Morbus Scheie (Beck 2014; Vijay 2005) 

    • Nabel- / Leistenhernien
    • Häufige HNO-Infekte
    • Eingeschränkte Wachstumsgeschwindigkeit / Kleinwuchs
    • Gelenkkontrakturen
    • Atemgeräusche / Schnarchen

    Bei beiden Verlaufsformen zählen Hernien, häufige HNO-Infekte sowie Gelenkkontrakturen bzw. -steifigkeit zu den ersten Symptomen. Im weiteren Verlauf kann es zu skelettalen Veränderungen (Dysostosis multiplex) kommen, eine Hornhauttrübung tritt auf. Die Wachstumsgeschwindigkeit kann zwischen dem dritten und vierten Lebensjahr abnehmen oder wird auffällig. Ein meist beidseitiges Karpaltunnelsyndrom und eine Herzklappenerkrankung in Form von Klappenvitien können im späteren Verlauf hinzukommen (Beck 2014, Guffon 2019, Viskochil 2019

    Fotos unspezifische Symptome bei MPS 1-Form Morbus Scheie und Hurler-Scheie

    Abbildung:  A) Hornhauttrübung; B) Gelenkkontrakturen an Händen, Ellenbogen, Finger- und Schultergelenken bei Patienten mit Morbus Scheie; C) Gesichtsdysmorphie bei Patientin mit Morbus Hurler-Scheie. Bildquellen: A) Mit freundlicher Genehmigung von Munoz V. B) Sanofi Aventis Deutschland GmbH; C) Genzyme Corporation

Häufigste Symptome der verschiedenen Verlaufsformen und Alter bei Erstmanifestation von MPS I

Häufigkeit und Schweregrad der Symptome bei MPS I sind abhängig von der Verlaufsform sowie dem Alter bei Erstmanifestation. Abbildung 4 zeigt die Symptome, die bei den verschiedenen Verlaufsformen in den angegebenen Altersgruppen am häufigsten auftreten (Beck 2014). 

    Beck M. Mukopolysaccharidose Typ 1. 2011. https://www.orpha.net/consor/cgi-bin/OC_Exp.php?lng=de&Expert=579, abgerufen am: 04.12.2020 

    Beck M et al. Genet Med 2014;16(10):759-765 

    Vijay S et al. Acta Paediatr 2005;94(7):872-877 

    Clarke LA. In: Adam MP, Ardinger HH, Pagon RA, et al. (Hrsg.). University of Washington, Seattle Copyright © 1993-2021, University of Washington, Seattle. GeneReviews is a registered trademark of the University of Washington, Seattle. All rights reserved., Seattle (WA), 2016 

    D'Aco K et al. Eur J Pediatr 2012;171(6):911-919 

    Guffon N et al. Eur J Pediatr 2019;178(4):593-603 

    Kubaski F et al. Diagnostics 2020;10(3):161 

    Lampe C. Thieme Praxis Report 2016;8:1-16 

    Lampe C et al. Rheum Dis Clin North Am 2013;39(2):431-455 

    Muenzer J et al. Pediatrics 2009;123(1):19-29 

    Viskochil D et al. American Journal of Medical Genetics Part A 2019;179(12):2425-2432